„Wenn es nicht mehr passt, gehe ich“

Es braucht viel mehr Vorbilder im Voll50-Alter, sagt Regina Jungmayr. Sie zeigen uns, dass Scheitern kein Unglück ist und dass Erfahrung schneller zum Ziel führt.

VOLL50: Wird frau mit voll50 unbeugsam, wenn es um die Liebe zur Freiheit geht?
Regina Jungmayr: Definitiv. Punkt. Die Liebe wird größer mit voll50. Du wirst Dir immer mehr bewusst, dass es um Dich geht. Dass Du nichts außerhalb von Dir findest, was Du nicht in dir hast. Die Suche hört auf. Und wenn Du nicht mehr suchst, nimmst Du leichter an, was das Leben Dir gibt. Oder bist gewillter, Dich auf die Dinge einzulassen, die Dir das Leben schenkt. Aber Du suchst nicht mehr verzweifelt nach etwas. Und wenn Du nicht mehr so verzweifelt suchst, bist Du weniger abhängig von den Dinge, weil Du sie nicht haben MUSST. Und Du bist auch nicht mehr bereit, Dich um jeden Preis zu „verkaufen“. Du stehst für Tauschhandel nicht mehr zu Verfügung. Wenn Du nicht mehr so getrieben bist von der Suche nach dem, was Du glaubst zu brauchen, siehst Du es auch nicht mehr als Majestätsbeleidigung an, wenn Dich jemand nicht mag oder wenn jemand nicht im Leben bleibt, wenn ich gerne dort hätte. Man bleibt mehr im Frieden mit sich selbst und gestaltet das Leben so, wie es einem gefällt, unabhängig vom Gegenüber. Nichtsdestotrotz ist es manchmal immer noch schwierig, loszulassen oder Dinge gehen zu lassen. Trotzdem: Einen Preis dafür zu zahlen, dass jemand oder etwas im Leben bleibt, wird immer unwahrscheinlicher.

Ich habe 30 Jahre eine Ehe geführt, die gut und harmonisch verlaufen ist, zwei wunderbare Kinder und ein besonders süßes Enkelkind. Aber irgendwann war die Ehe vorbei. Meine Mama hätte gesagt, dass ich bleiben soll, dass ich mich mit 58 nicht scheiden lassen kann, doch für mich war klar: Wenn es nicht mehr passt, gehe ich. In meiner jetzigen Beziehung bin ich weit nicht mehr so kompromissbereit. Ich bin klarer, ich zeige meine Grenzen viel schneller auf. Und ich fürchte mich auch nicht mehr davor, wenn dieser Mann sich entscheiden sollte, zu gehen. Ich liebe ihn, aber ich würde mich nicht verkaufen oder still vor mich hinleiden, wie man es macht, wenn man jünger ist. Und es gilt: Mach nicht etwas aus mir, was ich nicht bin.

VOLL50: Warum braucht es Vorbilder für Frauen in unserem Alter?
Regina Jungmayr: Mir ist es – obwohl ich ein sehr selbstbewusster und selbst bestimmter Mensch bin – sehr schwer gefallen, die Trennungsentscheidung zu treffen. Auch wenn ich sie dann durchziehe. Doch es hätte mir sehr geholfen, wenn ich noch mehr Bestätigungen von Frauen bekommen hätte. Viele Frauen in meinem Alter haben mir eher abgeraten, diesen Schritt zu machen. Dass ich nicht glücklicher sein werde. Nach dem Motto: Es kommt nichts G’scheiteres nach. Glücklicherweise habe ich durch meine schamanische Arbeit viele Kolleginnen, die diesen Weg gegangen sind, weil Heilerinnen sehr oft alleine sind und sich trennen, wenn sie ihren Weg beginnen. Da habe ich viele Vorbilder gehabt, die mir Mut gemacht und mich unterstützt haben.

Aber in der Öffentlichkeit gibt es noch viel zu wenige Frauen, die das nach außen repräsentieren. Und ich glaube auch, dass wir uns astrologisch gesehen in eine Zeit gehen, wo die Rollenmodelle zwischen Mann und Frau ohnehin anders werden. Das klassische Mama-Papa-Kind-Hund-Modell werden die Jungen nicht mehr leben wollen, denke ich. Deswegen braucht es auch Frauen, die zeigen, dass sich mit 50 erst die Sinnlichkeit, die Erotik entfaltet. Beides beginnt sich in diesem Alter voll zu entfalten. Und wenn ich bisher geglaubt habe, dass es so sein muss, wie es immer war, habe ich in diesem Alter jedes Recht, das zu ändern und neu zu entdecken.

VOLL50: Streben wir mit voll50 Zielen schneller entgegen als in früheren Jahren?
Regina Jungmayr: Definitiv. Weil wir klarer und auch effizienter sind. Man hat ein Ziel vor Augen und das verfolgt man mit einer gewissen Bestimmtheit, weil man ja weiß, dass das Leben endenwollend ist. Ich glaube schon, dass man den Fokus gezielter legt. Auch weil man mutiger ist und sagt: „Das Alter spielt für mich keine Rolle, um etwas Neues zu beginnen.“ Man hat auch schon Erfahrungswerte, wie man an Dinge herangeht. Das ist anders als mit 20 oder 30.

VOLL50: Wann sind Worte wichtiger als Taten?
Regina Jungmayr: Schöne Worte sind immer eine Sache. Taten sind viel wichtiger. Aber durch meine Beruf als Heilerin weiß ich, dass Worte mächtig sind. Daß Worte magisch sind. Wortmagie war ja in alten Zeiten immer Teil der Heilung. Insofern: Ja, Worte sind wichtig. Wenn ich mich einem Menschen zuwende, ist es sehr wichtig, welche Worte ich wähle. Im persönlichen Umgang sind Worte enorm wichtig. Aber man muss sie schon immer wieder mit den Taten abgleichen. Was sagt ein Mensch und was tut er? Ist er wahrhaftig oder erzählt er Dir nur etwas?

VOLL50: Welcher Art von Druck weichen wir mit zunehmendem Alter leichter aus?
Regina Jungmayr: Jedem bevormundendem Druck, überall dort, wen jemand will, dass Du Dich irgendwo hineinzwängst oder anpasst. Ich denke mir, dass ich den Druck nicht mehr haben möchte, mich auszubrennen, mich zu erschöpfen, über meine Grenzen zu gehen. Das geht nicht mehr. Früher war der Druck da und Du hast Dir gedacht, dass Du das schon eine Zeitlang durchziehst. Das geht jetzt gar nicht mehr. Und auch das Fremdbestimmte mag ich nicht mehr. Auch glaube ich, dass sich man mit zunehmendem Alter auch selbst weniger Druck macht. Ich habe auch nicht mehr so große Erwartungen an mich selbst. Und Erwartungen erzeugen auch immer Druck. Heute denke ich mir, wenn etwas nicht klappen sollte: „Was vergebe ich mir?“ Wenn etwas nicht funktioniert, mache ich halt etwas anderes.

Scham erzeugt auch Druck, aber auch Scheitern ist ein Thema. Wenn man jung ist, geht das gar nicht, weil das Ego so groß ist. Oft denkt man sich: „Da muss ich mich schämen.“ Das gilt auch für das Thema Scheidung. Viele Frauen konnten sich nicht trennen, weil andere dann gesagt hätten: „Um Gottes Willen, das ist eine geschiedene Frau.“ Das ist meiner Meinung nach inzwischen kein Thema mehr. Oder zumindest weniger thematisiert wird. Scheitern ist ein wichtiges gesellschaftliches Thema. Würden wir damit besser umgehen, dann würde viele Dinge prinzipiell viel einfacher werden. Und der Druck auf uns und die Gesellschaft insgesamt würde sinken und vermutlich würden dann auch viel weniger Menschen scheitern. Wenn ich keine Angst vor dem Versagen haben muss, weil ich mir das Versagen leisten kann, ist der Druck weg.

Wenn Du kreativ bist und aus Dir schöpfst, dann ist ja das Produkt das wichtige. In unserer Welt muss es aber so sein, dass das auch finanziell leistbar ist, dass Du schöpfst. Die Kreativität ist aber nicht an die materielle Welt gebunden und erleidet dann einen Einbruch, wenn ich mir überlegen muss, ob ich mir das überhaupt erlauben, leisten kann. Aber vielleicht stehen wir ja aktuell an dem Punkt, wo wir die Themen Geld, Materie, Finanzen endlich einmal neu denken, dass sie uns nicht bestimmen, sondern dienen.

www.uralteweisheit.com

Mensch und Wolf

Eine Freundin hat kürzlich erzählt, dass sie versucht, an jedem Tag ihres Lebens etwas Neues zu erleben. Während ich sie dafür verbal bewunderte, fragte ich mich gleichzeitig, inwieweit mir das gelingt. Am vergangenen Wochenende war es dann soweit.

Die schriftliche Version dieses Beitrags finden Sie ab Freitag Abend auf http://freie-journalistin.at/texten/blog

Freiheit ist Wahlfreiheit

Etwas zu dürfen, setzt voraus, dass uns jemand die Erlaubnis dafür gibt. In Wirklichkeit haben Frauen zu jeder Zeit ihres Lebens die Wahl, ihre Welt frei zu gestalten, sagt Anna Zwingenberger.

VOLL50: Was ist beim Austausch mit einem Gegenüber für Dich am anregendsten?
Anna Zwingenberger: Egal, ob ich mit Mann oder Frau über gesellschaftliche, politische oder private Themen diskutiere, finde ich es sehr interessant „persönliche“ Perspektiven kennenzulernen. Einerseits kann ich dadurch meinen Horizont erweitern und andererseits daraus lernen. Eine gute Argumentation, Berichte über gemachte Erfahrungen und „logische“ Erklärungen von Sichtweisen machen mich nachdenklich und (manchmal) habe ich sogar meine Meinung verändert.

Ich bin immer schon eine gute Zuhörerin und Beobachterin gewesen, die erst nach einigen Überlegungen und Abwägungen ihre eigene Meinung kundgetan hat. Aber es fasziniert mich immer wieder, wenn Menschen ihre Meinung „spontan“ anschaulich und klar erläutern können. Rhetorisches Können finde ich äußerst anregend im kommunikativen Austausch.

VOLL50: Warum darf frau sich mit voll50 (endlich) die Welt so gestalten, wie sie es möchte?
Anna Zwingenberger: In meinem Kopf bin ich noch immer nicht bei 50+ angekommen, d.h. mit den Zuordnungen und den „Schubladen“, die mit einer Person 50+ verbunden werden. Mein Körper zeigt die (ersten) Spuren des Älterwerdens, aber mein Geist ist viel jünger. Ich fühle mich oft gar nicht angesprochen, wenn andere von 50+ reden. Mein Verstand sagt mir aber, dass meine verbleibende Zeit auf dieser Erde immer kürzer wird und ich diese nach meinen Vorstellungen und meinen Ansprüchen nutzen werde.

Als voll50-Frau habe ich mit dem Verb „dürfen“ ein Problem. Die Fragestellung impliziert für mich, dass ich von einer anderen Person die Erlaubnis benötige, um etwas Bestimmtes tun zu können. Daher ist mein erster Impuls, auf diese Frage eine Gegenfrage zu stellen: Warum sollte ich meine Welt und mein Leben erst mit voll50 frei gestalten können?

Prinzipiell kann frau sich in jeder Phase ihres Lebens ihre Welt frei gestalten und alles tun, wozu sie Lust und die Motivation hat – egal ob es nun um ihre berufliche Entwicklung, um ihre gesellschaftliche Stellung und Rolle oder um ihre privaten, familiären Wünsche geht. Als junge Frau habe ich mir sicher schwerer getan, meine Wünsche und Ziele klar zu benennen. Das Leben besteht aus Höhen und Tiefen, die wir auf unterschiedlichste Weise meistern und die unseren Erfahrungsschatz vergrößern. Aber diese Erfahrungen führten mich auch dazu, dass sich eine klarere Vorstellung herauskristallisiert hat, was ich „will“ , aber auch was ich „nicht will“.

Es ist niemals zu spät, etwas Neues anzufangen oder sich neue Ziele zu stecken – der Wille und die Beharrlichkeit sind auf jeden Fall mit dem Älterwerden gewachsen.

VOLL50: Wie verändert sich die Kommunikation mit anderen im Laufe der Dekaden?
Anna Zwingenberger: Früher habe ich mir immer gedacht, keiner interessiert sich wirklich für meine Meinung, und deshalb habe ich mich immer sehr zurückhaltend verhalten. Das hat sich mit den Jahren verändert, da ich mehr Selbstvertrauen aufgebaut habe, das sich auch in meiner Kommunikation mit anderen widerspiegelt.

Durch Beruf und alltägliche Erfordernisse hat sich die gemeinsame Zeit, die ich mit anderen (Freunde, Familie) verbringe, verringert. Aber gemeinsame Erlebnisse (Urlaub, Ausflüge, „Abende zum Ratschen“, Feiern etc) bringen uns zu bestimmten Zeiten wieder näher, und das genieße ich. Es gibt Menschen, die ich monatelang nicht sehe und wenig bis gar keinen Kontakt habe, aber wenn wir uns dann persönlich treffen, ist es, als ob keine Zeit vergangen wäre. Der Vorteil des Älterwerden liegt sicher darin, dass ich mich bewusst entscheiden kann, mit wem ich mich austausche oder eben nicht austausche.

Was mich manchmal langweilt sind Themen, die schon gefühlte hundertmal besprochen wurden, jeder kennt die Perspektive des anderen und trotzdem wird darüber gesprochen, obwohl kein anderes Ergebnis als beim letzten Mal rauskommen wird. Ein solcher Austausch ist für mich mittlerweile sinnbefreit.

Ich bin aber dankbar für die technologische Entwicklung (Messenger, Social Media), die es ermöglicht, dass ich „zwischendurch“ mit anderen kommunizieren kann, um ein kurzes „Hallo“ oder „ich denke an Dich“ zu übermitteln. Dies ist für mich in den letzten Dekaden die größte positive Änderung, um mit anderen zu kommunizieren und meine Beziehungen zu pflegen.

Voll50: Muss frau mit voll50 alles dürfen?
Anna Zwingenberger: Nein, das glaube ich nicht. Es gibt immer persönliche Grenzen für unser Tun, die sich auch im Alter nicht ändern. Mir geht es mehr um das „Wollen“ als um das „Dürfen“. Ich will heute andere Dinge erleben oder mir leisten – im Vergleich zu meinen 30ern oder 40ern. Ich will meine Lebenszeit mit sinnvollen Dingen füllen, auf die ich mit Stolz und Ehrfurcht zurückblicken kann.

Nur weil ich ein bestimmtes Alter erreicht habe, heißt das ja nicht, dass ich meine Persönlichkeit und meinen Charakter ändere. Alles in meinem Kopf und in meinem Herzen hat sich über Jahre angesammelt und trägt seinen Teil zum aktuellen Status bei. Die Chancen werden zwar weniger, aber gute Chancen zu ergreifen, das kann ich mit zunehmendem Alter besser….

Ich kann alles tun, was ich will, muss keinem mehr Rechenschaft ablegen, warum ich etwas tue oder etwas eben nicht tue.

VOLL50: Freiheit oder Verbindlichkeit – FreundInnen oder FeindInnen?
Anna Zwingenberger: Für mich als Einzelkind haben Freundschaften – egal ob mit Männern oder mit Frauen – immer schon eine wichtige Rolle in meinem Leben gespielt. Schon früh habe ich erkannt, dass Freundschaften gepflegt werden müssen, um über Jahre hinweg bestehen und wachsen zu können. Diese Personen sind meine „frei gewählte Familie“.

Am wichtigsten sind für mich Vertrauen und Loyalität, die ich meinen Freunden und Freundinnen entgegenbringe, und diese grundlegenden Eigenschaften erwarte ich natürlich im Gegenzug von ihnen. Ehrlichkeit und gegenseitiger Respekt sind absolut erforderlich, damit Freundschaften funktionieren können und wir uns aufeinander verlassen können. Für mich bedeuten Freundschaften auf jeden Fall auch eine Verbindlichkeit, die zur Stabilität und Absicherung der zwischenmenschlichen Beziehungen beiträgt.

Ich halte mich für eine loyale und vertrauenswürdige Freundin und genau diese Eigenschaften erwarte ich auch von meinen FreundInnen. Im Fall, dass ich von jemanden mal enttäuscht werde, ziehe ich mich von dieser Person zurück und schränke den Kontakt ein. Mit voll50 habe ich genug Rückgrat, dass ich auch mal aus einer Freundschaft „aussteige“. Ich bin mir selbst genug wert, um mich von Schmerz und Kränkungen zu schützen.

Ich hoffe nicht, dass sich FeindInnen in meinem FreundInnen-, Familien- und KollegInnenkreis befinden. Vorrangig geht es mir darum, mit anderen an einem Strang zu ziehen. Das heißt, ich betrachte andere Frauen grundsätzlich als „zu meiner Spezies zugehörig“, da wir durch verschiedenste Gemeinsamkeiten schon mal eine gute Basis haben. Andere Frauen sind für mich keine FeindInnen, sondern in erster Linie „Schwestern im Geiste“. Feindschaften zu pflegen, würde zu viel Energie kosten, die ich nicht aufbringen will.

Meine Freiheit liegt vorrangig darin, dass ich mir meine Freunde und Freundinnen wählen kann, und ich dadurch auf ein stabiles Netzwerk in meinem Leben blicken kann.

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