Ein NEIN kostet so viel mehr Kraft als ein JA

Immer auf der Suche nach Vollkommenheit und neuen Erlebnissen, glaubt Voll50-Frau Inge Miglbauer fest an die Dauerhaftigkeit von Freundschaften und daran, dass die Motivation anderer kein Lippenbekenntnis sein darf.

VOLL50: Wann halten Freundschaften auch eine gewisse Unregelmäßigkeit aus?
INGE MIGLBAUER: Ich kann das nur für mich beantworten und in meinem Empfinden halten Freundschaften, die irgendwann mal richtig innig waren, immer Unregelmäßigkeiten aus. Echte Freundschaften halten ein leben lang für mich. Das kann aber daran liegen, dass ich mich mit Veränderungen schwer tue, ich hänge an gemeinsamen Erlebnissen und schönen Erinnerungen und Bildern. Je älter ich werde, desto mehr stelle ich auch fest, dass ich das bin. Ich bin diejenige, die solche Freundschaften oder Freundschaftskreise am Leben hält, und ich denke, das hab ich von meiner Mama. Aber ja, Freundschaften halten Unregelmäßigkeiten aus, gerade heutzutage mit den Kommunikationsmöglichkeiten, aber es bedarf auch der Zeit, und daran scheitert es oft. Speziell Freundschaften aus jungen Jahren halten Unregelmäßigkeiten aus, weil man soviel voneinander weiß oder weil man sich gern an die Zeit, als man jung war, zurückerinnert und die damit verbindet. Ich habe das Glück, beides zu haben, lange Freundschaften, die mein Leben ausmachen, ja meine Familie sind und Freundschaften, wo man nicht immer in Kontakt ist, aber in dem Moment, wo man sich trifft, ist alles wie immer. Man knüpft da an, wo wir uns zuletzt gesehen oder gehört haben, einfach wie wenn´s gestern gewesen wäre. Und darum Fazit, ja, echte Freundschaft hält das aus.

VOLL50: Wann liegt mit voll50 mehr Kraft in einem „Nein“ als in einem „Ja“?
INGE MIGLBAUER: Ganz einfach ab dem Zeitpunkt, wo man es mit über 50 endlich kann. Auch wenn es lächerlich klingt: Ich sage leider immer noch zu oft JA, obwohl ich NEIN sagen möchte, beruflich und privat. Und das ist in meinem Alter eigentlich ein Armutszeugnis, andere können das schon perfekt mit 20. Aber da ich mich nie sehr attraktiv empfand, dachte ich immer, ich muss mit Charme und Nettigkeit das wettmachen, und das ist halt schwer abzulegen. Also in einem ‚Nein‘ mit voll50 liegt bei mir alle Kraft, die ich aufbringen kann, weil ich ja etwas ablehne, was jemand von mir möchte. 100mal mehr Kraft als in einem ‚Ja‘! Und ich bin überzeugt, dass ich da nicht die Einzige bin, weil warum brechen sonst Frauen über 50 urplötzlich aus ihrem Leben aus und sagen NEIN. Wo das ganze Umfeld sagt, na was ist jetzt den los? Das erschreckt viel mehr, und es bedarf auch viel mehr Kraft, das zu tun, also NEIN zu etwas zu sagen.

VOLL50: Welche Art von Ruhe macht unruhig?
INGE MIGLBAUER: Zuviel Ruhe interpretiere ich als ‚ausgeschlossen sein‘, ‚ausgeschlossen aus dem Leben‘, und das bin ich zum Glück ganz selten. Der Spruch ‚Ich brauche mal Zeit für mich‘ ist für mich ein Fremdwort. Mich macht die Ruhe, die wohl viele sich wünschen, unruhig, ich mag auch kein Home Office. Ich fahre nicht allein auf Urlaub oder mag auch nicht allein an den See fahren, das macht mich unruhig. Und auch vertane Zeit macht mich unruhig, sinnloses Herumgetrödle, wo man viel erkunden oder erleben könnte. Diese Ruhe macht mit unruhig. Aber ich liebe die Ruhe auf einer Bergspitze oder in einer Kathedrale, das ist ganz wunderbar.

VOLL50: Wie viel Unvollkommenheit gestattet sich frau mit voll50?
INGE MIGLBAUER: Ganz ganz ganz schwierige Frage!!! Von mir ausgehend, leider gar keine Unvollkommenheit. Immer das Gefühl zu haben, alles 110prozentig erfüllen zu müssen, weil wenn nicht jetzt, wann dann, viel Zeit bleibt ja nimmer für eine über 50jährige, die quasi noch den „öffentlichen Fehler“ herumträgt, keine Kinder in die Welt gesetzt zu haben und nie verheiratet gewesen zu sein. Auch wenn ich beruflich schon erfolgreich bin, geschätzt werde – ich habe immer das Gefühl, doppelt soviel leisten zu müssen, verzeihe mir keinen Fehler, also es hält null Unvollkommenheit aus. Und was dazukommt: Je älter, desto schwieriger ist die Unvollkommenheit privat und beruflich zu schaffen, weil man halt langsamer wird. ABER ich denke, es liegt in vielen Fällen und bei mir sicher an der Erziehung beziehungsweise an dem, wie man es vorgelebt bekommt, und dieses Muster zu durchbrechen, ist einfach unsagbar schwer. Es auszuhalten dazustehen und zu sagen: ‚Na und, wurscht, ist sich nicht ausgegangen, nicht geschafft, nicht perfekt, solala gelaufen, vielleicht morgen,‘ ist wahnsinnig schwer, fast unmöglich und ist immer mit ‚ungenügend‘ oder ‚unvollkommen‘ verbunden.

VOLL50: Wie motiviert frau andere zur Eigenverantwortung?
INGE MIGLBAUER: Ist die schwierigste Frage für mich, weil Eigenverantwortung wofür!?!? Für ihre Gesundheit, die Gesellschaft, den Partner, ihre Jobauswahl? Und egal, welcher dieser Punkte – es ist schwer zu motivieren ohne eventuell jemanden zu kränken. Man muss dieser Motivation dann auch Eigeninitiative folgen lassen. Ich sag dir, du musst wirklich was tun für deine Gesundheit, dann muss ich auch sagen, ok, komm, ich nehme mir Zeit, ich geh laufen oder schwimmen mit dir. Oder im Job, leicht zu sagen, komm, du schmeißt das jetzt hin, es reicht. Aber dann muss man auch helfen, was Neues zu finden. Und da denke ich, setzt dann die Bequemlichkeit ein. Bei wem ist alles perfekt, wer weiß ob’s besser wird, egal in welchem der Punkte? Und vorbei ist es mit der Motivation für andere Frauen. Manchmal wird das, was andre als Motivation bezeichnen, als Bevormundung empfunden. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, und dann ist es eher kontraproduktiv. Ich denke nicht, dass ich schon andre Frauen zur Eigenverantwortung motiviert habe, aber eventuell weiß ich es nur nicht.

Lebenskunst ist keine Selbstläuferin

Wenn frau sich selbst verzeihen kann, fällt es auch bei anderen leichter, sagt Voll50-Frau Bettina Steinsberg. Eine stabile Mitte hilft dabei, wenn sie aus dem Bewusstsein erwächst: Fehler sind wichtig.

VOLL50: Was kann Lebenskunst mit voll50 – ist sie eine Selbstläuferin?
BETTINA STEINSBERG: Lebenskunst ist mit voll50 gut möglich, allerdings keine Selbstläuferin. Wir müssen uns mit uns selbst auseinandersetzen, mit unseren Träumen, Sehnsüchten, Ängsten und Verletzungen. Sonst holen sie uns früher oder später ein, und dann wird Lebenskunst schwierig. Wenn wir uns hingegen selbst gut kennen, dann kann uns mit voll50 nichts mehr so leicht aus der Bahn bringen. Denn wir wissen um unsere Leistungen, müssen niemandem mehr etwas beweisen, kennen und akzeptieren unsere Schwächen. Wir sind im Einklang mit uns. Das macht Lebenskünstler*innen aus.

VOLL50: Was braucht frau, um im Mittelpunkt stehen zu können?
BETTINA STEINSBERG: Eine starke Mitte. Zuerst muss frau selbst von sich überzeugt sein. Das ist gar nicht so einfach, wie es klingt. Frauen tendieren dazu, Erfolge äußeren Umständen zuzurechnen. Misserfolge hingegen nehmen sie persönlich und beziehen sie auf sich und ihre Fehler. Da hilft eine „Fehlerkultur“. Es ist nicht nur in Ordnung, Fehler zu machen, sondern extrem wichtig, dazu zu stehen, daraus zu lernen und daran zu wachsen. Dann kann ich gut im Mittelpunkt stehen.

VOLL50: Welche zwischenmenschlichen Verhaltensmuster sind mit voll50 immer noch spannend?
BETTINA STEINSBERG: Alle sind spannend. Das liegt an der Reife. Wir sind sensibler und nehmen mehr wahr. Wir sind reflektierter und stellen uns und unser Gegenüber mehr in Frage. Wir können besser diskutieren und unseren Standpunkt vertreten. Wir können unterschiedlicher Meinung sein, ohne darüber streiten zu müssen. Wir können uns auch gelassen zurücknehmen, wenn wir keine Chance sehen, in echte Beziehung zu treten. Das alles macht Beziehungen vielfältig und letztlich auch spannend.

VOLL50: Wie kann frau beim Verzeihen helfen?
BETTINA STEINSBERG: Verzeihen beginnt immer bei uns selbst. Wer sich selbst gut verzeihen kann, ist in der Lage, anderen beim Verzeihen zu helfen. Wenn Verzeihen schwerfällt, dann liegt oft eine tiefe Verletzung von früher dahinter. Frau kann zwar helfen, der Ursache auf den Grund zu gehen, warum jemand schwer verzeihen kann. Finden muss dieser Jemand die Ursache allerdings selbst und bereit sein, sowohl die Verletzung als auch die Heilung des Schmerzes anzunehmen.

VOLL50: Wie verändert sich das Gefühl für Geschwindigkeit mit voll50?
BETTINA STEINSBERG: Das ist subjektiv. In meinem Fall ist es so, dass ich schon immer quirlig und unruhig war, besonders als Kind. In der Schule war das ein Problem, in meinem ersten Job als Unternehmensberaterin hat es mir aber sehr geholfen, vor allem die schnelle Auffassungsgabe und das Tempo, das ich an den Tag gelegt habe. Allerdings habe ich mit den Jahren gemerkt, dass mir diese Geschwindigkeit nicht guttut. Ich habe mich ausgelaugt gefühlt, und dann kam die Sinnkrise. So bin ich zu meinem jetzigen Beruf gekommen. Shiatsu zu geben, ist für mich selbst ein Geschenk. Es bringt mich zur Ruhe und erdet mich. Das tut mir enorm gut. Darüber hinaus können auch meine Klient*innen die Erfahrung von tiefer Entspannung und Mitte-Finden erleben.

www.shiatsu-mittefinden.at

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Weder Anpassungsfähigkeit noch Naivität passen zu einer Voll50-Frau, sagt Christine Schwärzler. Unterwegssein ist für sie ein Muss, Warten auf morgen oder übermorgen überhaupt keine Option.

VOLL 50: Wo endet mit voll50 die Anpassungsfähigkeit?
CHRISTINE SCHWÄRZLER: Anpassungsfähigkeit ist die Fähigkeit, sich auf geänderte Anforderungen und Gegebenheiten einzustellen. Eine Kompetenz, die manchmal notwendig ist, die neue Türen öffnen kann, aber mit voll50 kein Muss ist. Das Privileg von vollfünfzig ist, sich in manchen Situationen – sowohl beruflich als auch privat – nicht mehr anpassen zu müssen.

Anpassungsfähigkeit hat nicht nur mit vollfünfzig Grenzen. Meine Anpassungsfähigkeit endet, wenn ich mich einfach nicht anpassen möchte, wenn ich mich verbiegen, wenn ich meine Überzeugungen negieren müsste. Ein menschliches Chamäleon zu sein ist meiner Meinung nach weder vor50 noch mit voll50 oder nach50 erstrebenswert. Auch wenn es heißt, dass weder die stärkste noch die intelligenteste Spezies überlebt, sondern die angepassteste, ist das kein Argument für mich. Im Gegenteil – oft sind nämlich die Unangepassten die Interessantesten.


VOLL50: Inwiefern beeinflusst Naivität die Ausstrahlung?
CHRISTINE SCHWÄRZLER: Meine ersten Assoziationen zu Naivität sind eher negative. Synonyme zu diesem Nomen sind laut Duden Arglosigkeit, Einfachheit, Einfalt, Harmlosigkeit. Wie kann Naivität da die Ausstrahlung positiv beeinflussen? Ahnungslos, arglos, blauäugig und einfältig zu sein, kann nicht wirklich erstrebenswert sein. Meiner Meinung nach haben naive Menschen keine besondere oder eine negative Ausstrahlung. Menschen, die wenig Erfahrung mitbringen, unkritisch und einfältig agieren, strahlen in meinen Augen nicht viel aus.

VOLL50: Worauf sollte frau mit voll50 auf keinen Fall mehr warten?
CHRISTINE SCHWÄRZLER: Auf morgen oder gar auf übermorgen. Jetzt im Moment leben ist mit voll50 wichtiger denn je. Nichts mehr aufschieben, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, Dinge zu tun, die man/frau immer tun wollte, dorthin zu reisen, wohin man/frau immer schon wollte, das zu sagen, was man/frau immer schon sagen wollte.

VOLL50: Wie wirkt es sich aus, wenn man das Unterwegssein übertreibt?
CHRISTINE SCHWÄRZLER: Kann man das Unterwegssein übertreiben? Gibt es denn Schöneres als unterwegs zu sein? Reisen und Unterwegssein mit meinem Mann und meiner Familie sind die schönsten Tätigkeiten, die ich mir vorstellen kann. Nichts mehr genieße ich, als mit ihnen unterwegs zu sein, Neues kennenzulernen, gemeinsame Erfahrungen zu machen und Erinnerungen zu kreieren. Sammle Momente, nicht Dinge; die schönen Momente sind es, die bleiben. Neue Abenteuer kann man nur erleben, wenn man unterwegs ist und nicht stillsteht.

VOLL50: Wann kollidieren mit voll50 Hilfsbereitschaft und Selbst-Bewusstsein?
CHRISTINE SCHWÄRZLER: Menschen, die sich ihrer selbst bewusst sind, geben gerne und sind bereit zu helfen. Mit 50 und den bis dahin gemachten Erfahrungen ist es leicht, eine Kollision von Hilfsbereitschaft und Selbst-Bewusstsein zu vermeiden. Hilfsbereitschaft UND Selbstbewusstsein mit 50? Ja, wenn nicht jetzt, wann dann?

Langeweile – was ist das?

Foto: Andreas Hüttner

Petra Adelsberger kann erkennen, wann eine Frau sich selbst achtet. Und sie weiß, dass es oft viel bunter wird, wenn man durch eine Hintertüre geht. Ihre ist rot gestrichen.

VOLL50: Wann entsteht aus Langeweile etwas positives?
PETRA ADELSBERGER: Langeweile – was ist das?

VOLL50: Auf welcher Hochzeit sollte frau mit voll50 auf gar keinen Fall tanzen?
PETRA ADELSBERGER: Auf der Hochzeit von „Gefallen wollen“ und „recht machen“. Da tanzen wir oft auf Hochzeiten, auf die wir nicht so gerne eingeladen werden. Das sollten wir nicht mehr tun. Das Tanzen macht nur Spaß, wenn die richtige Musik spielt. Ohhh – da klingt jetzt sehr lässig! Ich wünsche mir, dass es auch manchmal so wäre……

VOLL50: Mit welchen Farben und /oder Mustern würdest du eine Hintertüre bemalen?
PETRA ADELSBERGER: Rot – damit sie sichtbar ist und nicht vergessen wird. Hintertüren geben eine Sicherheit, und wenn man durchgeht, ist es oft viel bunter als man sich es vorstellen kann.

VOLL50: Wie kann frau mit voll50 Liebe definieren?
PETRA ADELSBERGER: Liebe ist so ein schönes Wort und das Schönste, was man fühlen kann. Die Definition für mich ist die Hingabe für das Leben, für einen selbst, für die Kinder, für den Partner, für die Natur und für die Menschen – wo jeder so wunderbar und einzigartig ist. Das zu spüren, das ist für mich Liebe.

VOLL50: Woran erkennt frau Selbstachtung bei sich und anderen?
PETRA ADELSBERGER: Frauen, die sich selbst achten, strahlen das aus. Ich sehe und ich spüre das. Das fällt mir jetzt schwer zu beschreiben, weil mir die Worte fehlen. Für mich geht es um Liebe (natürlich), Wertschätzung, Achtung und Freude mit sich selbst. Zu tun und zu sagen, was für einen wichtig ist. Hinter sich zu stehen in guten wie in schlechten Zeiten.

https://petra-adelsberger.at

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung