Von der Selbstreflexion zum Selbstgespräch

Anzuerkennen, wie kreativ wir bereits im Alltag sind, ist für Susanne Perner wichtig. Genauso wie das Selbstgespräch, deren Vorteile sie absolut auf den Punkt bringt.

VOLL50: Wann wird Vielfalt realitätsfremd?

Susanne Perner: Vielfalt ist mir wichtig. Je älter ich werde, desto mehr erkenne ich sie. Und ich bin Anhängerin des Gender-Sternchens. Mit Freude sehe ich, wie oft es in meinem Umfeld genutzt wird, und mit fragendem Blick höre ich zu, wenn es von einigen ironisch bewertet und daher bewusst nicht genutzt wird. Leider aber erkenne auch ich Vielfalt nicht immer in ihrer Vielfältigkeit. So wird sie für mich „realitätsfremd“, wenn ich nicht mehr weiß, ob ich nicht jemanden ungewollt ausgelassen habe.

VOLL50: Wo hört mit voll50 die Fröhlichkeit auf und wird zur Ungeduld?

Susanne Perner: Bei mir setzt die Ungeduld ein, wenn ich sehe, wie wenig Mitmenschen ihre Meinung auch einmal in Frage stellen. Zum Glück handelt es sich häufig um jüngere Mitmenschen, so dass sich dann wieder Fröhlichkeit über meine erreichte Reife einstellen kann.

VOLL50: Wie viel Selbstüberwindung braucht frau, um in ihre Kreativität zu kommen?

Susanne Perner: Frau braucht vor allem die Erkenntnis, wie oft sie im Alltag bereits Kreativität walten lässt. Ganz ohne Selbstüberwindung. Mir würde oft helfen, das besser zu sehen und anzuerkennen.

VOLL50: Wann sind mit voll50 Selbstgespräche wertvoller als der austausch mit einem gegenüber?

Susanne Perner: Selbstgespräche haben für mich etwas Therapeutisches. Das besonders Wertvolle am Selbstgespräch ist, dass ich dazu keine Verabredung treffen muss – ich bin ja immer für mich da. Und meine Selbstgespräche zu komplexeren Gefühlsthemen haben einen großen Vorteil: Ich habe bereits alle relevanten Informationen, muss also niemandem langmächtig erklären, worum es geht.

VOLL50: Warum kann Selbstreflexion manchmal einsam machen?

Susanne Perner: Darüber hatte ich noch nicht nachgedacht, aber es ist tatsächlich so: Menschen, die selbstreflektierter sind als ich, strahlen eine gewisse Autarkie aus. Anders als ich stellen sie regelmäßig sicher, dass sie mit sich „im Reinen“ sind. Über den Zusammenhang zwischen Autarkie und Einsamkeit muss ich nochmal stärker nachdenken. Demnächst. Am besten in einem Selbstgespräch.

Wechseljahre aus der Tabuzone holen

Sich mit einem breiten Lächeln zur dieser wechselvollen Phase eines Frauenlebens zu bekennen, schenkt Gelassenheit und kann sogar die nächste Hitzewallung verhindern. Hildegard Aman-Habacht weiß, wovon sie spricht.

VOLL50: Wie lässt sich ein offenes Herz und Verletzlichkeit verbinden?

Hildegard Aman-Habacht: Verletzlichkeit offenbart unsere Fehler, bringt uns in Verbindung mit unseren Ängsten und macht uns zu dem, was wir sind: zu Menschen. Menschlich zu sein heißt, verwundbar zu sein und öffnet Herzen. Emotionen, Gefühle und unser tiefstes inneres Sein kommen dabei zu Tage und zeigen unser wahres Ich. Damit können wir die Selbstlüge beenden, die wir vielleicht viele Jahre mit uns getragen haben. Damit können wir zu unseren Ängsten stehen, „Ja“ sagen zu unseren Zweifeln, uns selbst voller Ehrlichkeit begegnen, Neues entdecken, Balance finden und mehr und mehr bei uns selbst ankommen.

Verwundbarkeit im Außen zu zeigen, kann jedoch auch auf Unverständnis stoßen. Menschen werden in ihren eigenen Unzulänglichkeiten getriggert, zwanghaft Unterdrücktes kommt möglicherweise unkontrolliert hoch und entlädt sich explosiv. Jetzt heißt es noch mehr das Herz zu öffnen, indem wir das Gegenüber annehmen, wie es ist, ihm Liebe und Mitgefühl entgegenbringen.

Ein offenes Herz und Verletzlichkeit haben in unserer Welt wenig Platz und damit verbunden Mitgefühl, Einfühlsamkeit, Ehrlichkeit und Liebe. Doch ist es nicht gerade das, was Frau in den Wechseljahren benötigt? Um den Wechseljahren zu begegnen und all die Facetten der Millionen Farben des Wesens der Wechseljahre zu leben, darf Frau sich zunächst einmal verwundbar zeigen, indem sie sich ihre Wechseljahre eingesteht, sie aus der Tabuzone holt, indem sie öffentlich darüber spricht und sich zum nächsten Schweißausbruch voller Ehrlichkeit, mit einem breiten Grinsen bekennt. Nicht (mehr) perfekt zu sein, ist die verwundbare Seite für viele Frauen in den Wechseljahren. Doch sind es nicht gerade die Wechseljahre, die uns einladen, wieder bei uns anzukommen, nach vielen Jahren des Kümmerns um andere? Sind es nicht gerade die Wechseljahre, die uns auffordern unsere Träume und Visionen zu leben? Ja! Sie triggern es geradezu. Geben wir dem Begehren unseres Herzens nicht nach, stehen wir nicht zu uns und unseren Unzulänglichkeiten und zeigen uns damit weder verletzlich, noch verwundbar, rächen sie sich mit Hitzewallungen, Schlafstörungen & Co. Ein offenes Herz und Verletzlichkeit ist wie „Liebe ohne Kontrolle und Zwang“.

VOLL50: Wieviel Stabilität braucht frau mit voll50 für ihre Unabhängigkeit?

Hildegard Aman-Habacht: Unabhängigkeit zu leben braucht Mut, um die Komfortzone zu verlassen. Es braucht eine Menge an Vertrauen, Disziplin und Konsequenz. Unabhängig zu sein, neue Wege zu gehen, Visionen und Träume zu leben, bringt immer Instabilität ins Leben. Alles beginnt zu wanken, vieles gerät aus den Fugen. Doch die Wurzeln und die Selbstverständlichkeit zum Leben lassen auch den stärksten Baum im Sturm stabil im Boden verankert bleiben. In der Stabilität können wir unseren Selbstwert erkennen. Bei vielen Frauen ist dieser gerade in Wechseljahren nahezu abhanden gekommen. Sie meinen, nichts mehr zu taugen, zum alten Eisen zu gehören. Sie betrachten sich als ausrangiert und erkennen nicht, was sie in all den Jahren an Fähigkeiten, an Erkenntnissen und Erfahrung angesammelt haben. Die Frau Voll50 darf sich ihrer Weisheit bewusst werden und diese in vollen Zügen leben. Nur so kann sie ihr Wissen auf Schiene bringen und die ganze Welt daran teilhaben lassen. Selbst wenn die Stabilität zeitweise aus den Fugen zu geraten droht, es ist nur eine neue Ausrichtung, eine Umorientierung, das Entdecken der Einzigartigkeit. Mit offenem Herzen durch die Welt zu gehen und sich verletzlich zu zeigen, stärkt unsere Wurzeln, stärkt unseren Selbstwert und damit unsere Stabilität. Verständnis für den neuen Weg wird uns entgegengebracht und wir können unsere neue Unabhängigkeit mit viel Mut und Vertrauen erobern. Fehler werden akzeptiert, Umorientierung respektiert. Es geht darum „Die Verantwortung für das eigene Glück zu übernehmen“.

VOLL50: Wo verläuft die Grenze zwischen Lieben und Aufopfern?

Hildegard Aman-Habacht: Sich aus Liebe aufzuopfern, ist unbewusst an Bedingungen geknüpft. Wir wollen doch alle geliebt werden, am liebsten so, wie wir sind. Das veranlasst uns dazu, Dinge zu tun, die wir eigentlich gar nicht tun wollen. Ganz tief in unserem Inneren schwingt die Sorge mit, dass wir möglicherweise nicht mehr geliebt werden, dass wir abgelehnt werden, wenn wir den Liebsten nicht unter die Arme greifen. Sich aus Liebe aufzuopfern beruht immer auf Ängsten. Es ist keine wertfreie Liebe, sondern an eine Bedingung geknüpft: „Wenn,… dann… hast du mich lieb, nimmst mich an, …!“

Zu lieben, aus Liebe etwas zu tun oder nicht zu tun, ist eng an Dankbarkeit, Demut, Selbstakzeptanz und Mut gekoppelt, ohne Regeln und ohne Bedingungen.

Um die Grenze zwischen einem wirklichen Liebesdienst und einer Aufopferung zu finden, bedarf es, diese bewusst gesetzten Bedingungen an die Liebe zu hinterfragen. Um wirklich frei unseren Weg durch die Wechseljahre zu gehen, dürfen wir all diese Begrenzungen loslassen, alle Regeln für die Liebe umstoßen und Liebe einfach fließen lassen.

Das geschieht jedoch erst, wenn wir uns selbst so annehmen können, wie wir sind, zu unseren Entscheidungen stehen, ohne Wenn und Aber, dankbar sind für das was ist, den Mut haben uns verletzlich zu zeigen, unsere eigenen Ängste annehmen und vieles mehr.

Und damit bedingt die Liebe das Ende des Kämpfens, ein Ende der Widerstände und der Opferhaltung. Die Grenze verläuft dort, wo es „frei fließt“, offen – ehrlich – direkt!

VOLL50: Wie fängt frau mit voll50 ihren kreativen Geist ein?

Hildegard Aman-Habacht: Der Ausdruck der eigenen Bedürfnisse und Wünsche, gepaart mit einem authentischen Leben voller Leidenschaft, bringt der Frau in den Wechseljahren ihre Kreativität näher. Dazu bedarf es die Rollen, die nicht mehr zu ihr passen, jeden Tag etwas mehr zu entdecken, und sie mehr und mehr loszulassen.

Oft sind wir Frauen Voll50 zugemüllt mit Selbstkritik und Wutemotionen, Unausgesprochenem die uns Kraft, Energie und den Zugang zu unserer Kreativität rauben. Reflexion, Arbeit an sich selbst, Weiterentwicklung, Öffnung für spirituelle Ansätze bringen uns wieder in Verbindung mit unserer Einzigartigkeit, unserem Potential, unseren Fähigkeiten und unserer Leidenschaft.

Dann ist es Zeit sich Raum zu nehmen, um den Träumen und Ideen Gestalt und Ausdruck zu verleihen. Doch auch dazu braucht es Mut, denn es zieht oft eklatante Veränderungen mit sich. Der kreative Geist der Wechseljahre schenkt der Frau Voll50 all die Energie, die Kraft und das Vertrauen die es für diesen wichtigen Schritt braucht.

VOLL50: Was ist die Sonnenseite von Resignation?

Hildegard Aman-Habacht: Resignation führt uns tief hinab in die dunkelste Ecke unserer Seele. Traurigkeit, Melancholie, Frustration und vielleicht auch ein bisschen Wut formieren sich. Viele Frauen in den Wechseljahren leiden, im wahrsten Sinn des Wortes unter Depression und Resignation. Tagelang verschanzen sie sich in ihrer Einsamkeit, ihrer Schwermut und ihrem Weltschmerz. Schaffen sie es jedoch, diese Qualität für sich zu nützen, so schöpfen sie schlussendlich genau daraus die Energie, um wie der Phönix aus der Asche wieder aufzuerstehen. Frau Voll50 kann aus Resignation eine enorme Kraft mitnehmen, um tief in ihre Kreativität einzutauchen und Inspirationen, Visionen und Ideen für einen Neustart hervorzubringen. Es ist tatsächlich eine Veredelung, für die frau zuerst tief in sich gehen darf, bis an die Grenzen ihrer Seele.

www.meine-wechseljahre.com

„Gelassen, ohne dabei aggressiv zu werden“

Undiplomatisch nimmt sich Doris Wild die Freiheit, die sie braucht. Und geht ihren Weg mit viel Visionskraft, die sie aus dem Spielplatz Welt zieht.

VOLL50: Sind Frauen in unserem Alter gesellschaftliche Außenseiter?

Doris Wild: Die Frage gefällt mir. Schnell beantwortet „ja“, weil Du nirgends mehr wirklich dabei bist. Im Job tut man sich echt schwer, obwohl es momentan leichter ist, weil die Arbeitgeber jeden nehmen. Ein Beispiel: Während der Corona-Zeit habe ich mir überlegt, was ich tun könnte, weil alles, was ich kann, nicht mehr gefragt war. Ich habe Gerüstbau immer schon cool gefunden und zu meinem Freund gesagt, dass ich bei einem Unternehmen anfragen könnte. Da meinte er: „Du spinnst! Die nehmen bestimmt keine 50jährigen und schon gar keine Frau.“ Im Grunde erfülle ich aber alle Bedingungen. Ich habe Kondition, bin sportlich, kann gut klettern, habe keine Höhenangst. Und ich finde es lustig. Trotzdem habe ich mir gedacht, dass es nicht sein kann, dass man aufgrund des Alters und des Geschlechts aussortiert wird. Und an eine Supermarktkasse wollte ich mich wirklich nicht setzen, denn das wäre eine der wenigen Möglichkeiten gewesen. Die Idee habe ich aber dann aufgrund von ein, zwei Jobs in meiner Domäne fallengelassen. Aber vielleicht kriege ich ja einmal das Angebot, Gerüstbau einen Tag lang ausprobieren zu können.

Privat erlebe ich das nicht, weil ich einen festen Freund habe. Ich bin ja quasi nicht auf der Suche und muss nichts suchen, um nichts buhlen muss. Ich erlebe das Außenseitertum nur beruflich.

VOLL50: Wie kann frau mit voll50 empathisch sagen, dass man seine Freiheit braucht?

Doris Wild: Das ist nicht altersabhängig. Dass ich meine Freiheit brauche, habe ich immer und in jeder Sekunde gesagt. Ich brauche ganz, ganz, ganz viel Freiheit. Und alle rings um mich herum leiden darunter, aber ich nehme sie mir trotzdem. Ich mache mir keine Gedanken, wie ich das empathisch sagen könnte, sondern tue es einfach. Das war immer schon so. Ich renne jeden Tag gegen die Mauer wie früher, ich ecke jeden Tag an wie früher und bin genauso undiplomatisch wie früher. Das einzige, was sich verändert hat: Heute weiß ich, dass es unklug ist, und damals habe ich mir nichts dabei gedacht. Und obwohl ich mir etwas dabei denke, tue ich es trotzdem.

VOLL50: Was kann man einem Sturm der Emotionen entgegensetzen?

Doris Wild: Zurücklehnen, nicht ankommen lassen bei einem selbst. Das hat sich mit zunehmendem Alter gebessert. Wenn jemand völlig aufgelöst auf mich zukommt oder mich in den ärgsten Tönen beschimpft, wäre ich früher sofort eingestiegen und hätte dagegen gehalten. Jetzt schaffe ich es meistens schon, dass ich mich zurücklege und mir denke, dass es nicht so schlimm ist. Eigentlich berührt es mich gar nicht mehr so. Und ich selber kann man auch nicht mehr so in Dinge hineinsteigern wie früher. Also in die negativen. In die positiven Dinge kann ich das nach wie vor. Ich weiß nicht, ob ich da klüger geworden bin. Auf jeden Fall fühle ich mich nicht mehr so schnell angegriffen. Ich war ja früher extrem agressiv und streitsüchtig und habe jeden bildlich gesprochen gleich gebissen, der mir mit leichten Emotionen kam. Jetzt überlebt das Gegenüber. Ich sehe es gelassener, obwohl ich dieses Wort früher gehasst habe. Ich kann mich noch an ein Gelassenheitstraining erinnern und allein dieser Titel hat mich auf die Palme gebracht. Damals habe ich mir gedacht: „Das will ich nicht, das brauche ich nicht, so will ich nie werden.“ Für mich war es damals das Schlimmste, wenn man nichts mehr spürt, keine Gefühle zurückgeben kann. Und jetzt bin würde ich sagen, dass ich gelassener bin. Und ich kann dieses Wort sogar schon aussprechen, ohne dass ich aggressiv werde.

VOLL50: Wie verändern sich mit voll50 die eigenen Visionen?

Doris Wild: Sie verändern sich bei mir im Rhythmus von ungefähr fünf Jahren. Ich habe immer andere Ziele, andere Visionen. Die Grundvisionen und Träume sind immer die gleichen. Manches ist abgehakt, wie gewissen Urlaubsziele oder Jobs. Fernsehredakteurin zu sein, brauche ich nicht. Gehabt, erledigt, danke. Ich habe immer noch eine Million Visionen und Ziele, die ich erreichen möchte. Dafür muss ich sicher noch 200 Jahre leben, um sie umzusetzen. Und jedes Jahr kommen zehn neue Dinge dazu, von denen ich glaube, sie machen zu müssen. Und vieles davon hatte auch mein jüngeres Ich schon, vielleicht nicht zu klar und deutlich, aber doch. Bei mir läuft das Leben total stringent. Wenn ich mich daran erinnere, was ich als Fünfjährige gedacht und getan habe, hat sich das bereits abgezeichnet. Was aus mir wird, wie es wird, was meine Ziele sind, war von der ersten Sekunde an klar, auch wenn es nicht wirklich wahrgenommen und ernst genommen wurde. Und ich selbst habe es bis 20 noch gar nicht gecheckt, dass es so läuft. Damals habe ich mich noch viel zu sehr beeinflussen lassen. Das gibt es jetzt nicht mehr. Da kann jeder sagen, dass es Scheiße ist, dass ich es nicht kann – ist mir wurscht und mache es trotzdem. Und das gilt auch für „Dafür bist Du zu alt.“ Ab 50 wird es dann ganz schlimm. Aber solange ich Spaß bei etwas habe, mache ich’s einfach.

Es ist eine Frage der Zielgruppe, weil ja die anderen immer schubladisieren. Ich bin ja nicht die typische 50jährige, visuell sowieso nicht und von den Interessen nur bedingt. Was macht man mit so einer 50jährigen? Die Werbezielgruppe geht bis 49, und ich bin eigentlich genau die typische Vertreterin dieser Zielgruppe, der ich altersmäßig nicht mehr entspreche. Das war für mich ein Frust, dass ich irgendwann einmal nicht mehr zu meiner Zielgruppe gehört habe. Ausrangiert.

Insofern kann einfach keine Schublade dafür geöffnet werden. Meine Vision ist, dass meine Schublade trotzdem geöffnet wird, weil andere auch erkennen, die ähnlich ticken, dass wir etwas tun müssen, um gesehen zu bleiben.

VOLL50: Was stärkt die Lust auf Abenteuer?

Doris Wild: Phantasie, Kreativität, jeden Tag Inputs von anderen, die mich inspirieren. Dinge, die ich wahrnehme. Bei mir ist die ganze Welt ein großer Spielplatz. Abenteuer ist da, man muss es nur aufheben. Aber anfangen sollte man damit früh. Wenn ich Mütter auf Spielplätzen beobachte, schauen sie ihren Kindern beim Spielen zu. Besser wäre, sie würden mit ihren Kindern spielen. Dieses Mitspielen darf man sich nicht austreiben lassen. Das ist bei ganz vielen Menschen aktuell das Problem. Dass sie sich komisch vorkommen, wenn sie Dinge spielerisch erarbeiten sollen oder an sie spielerisch herangehen sollen.

www.wildbild.at

„Werde oft von meiner Unberechenbarkeit überrumpelt“

Man hat nichts zu verlieren, wenn man mit voll50 Mut beweist. Eines allerdings sollte man keinesfalls tun: Gleichgültigkeit zur Tugend erheben, sagt Angelina Pucher.

VOLL50: Wann schließt es sich nicht aus, unberechenbar und gleichzeitig planungsfähig zu sein?

Angelina Pucher: Ein freier Mensch ist für andere immer unberechenbar und fast eine Zumutung. Die Natur ist immer unberechenbar und doch gleichzeitig planungsfähig. Irgendwann kommt der Frühling, der Sommer, der Herbst und der Winter. Planbar, dass die Bäume im Frühling blühen, um im Herbst Früchte zu tragen. Unberechenbar das Wetter, das Blüten erfrieren oder erblühen lässt…. Ich selbst werde oft von meiner Unberechenbarkeit überrumpelt. Aber wenn Kinder oder Tiere oder manche Menschen mich brauchen, so bin ich voll planungsfähig und bleibe dennoch unberechenbar, weil es viele Möglichkeiten gibt, eine Aufgabe zu lösen, wenn man sich die Freiheit erlaubt, schnell auf die Situation zu reagieren und zu handeln, mit bestem Wissen und Gewissen.

VOLL50: Wie hoch darf der Mut fliegen mit Voll 50 ?

Angelina Pucher: Sehr hoch, denn was hat man zu verlieren? Mit Mut kann nur gewonnen werden. Der Mut sich selbst zu sein, mit graumelierten Strähnen, ein paar Pfunden zu viel auf den Rippen, einer Zahnlücke, ungeputzen Fenstern, weil anderes wichtiger ist, den Mut zu seinen „Fehlern“ zu stehen. Den Mut zu tun, was gerade für einen richtig ist, den Mut zu sagen, was man denkt – auch wenn man dadurch zum Außenseiter wird und angekreidet. Zivilcourage zu zeigen ist ebenso Mut, wie vehement für eine Sache eintreten, bis sie durchgeboxt ist. Es gehört auch Mut dazu, deutlich Nein zu sagen und zu seinem Standpunkt zu stehen.

VOLL50: Kann Gleichgültigkeit zur Tugend werden?

Angelina Pucher: Gleichgültigkeit darf nie zur Tugend werden. Menschen, die einem anderen gleichgültig sind, sind ja fast schon wie gestorben. Und der Mensch, dem alles gleichgültig ist, ist in meinen Augen ein sehr armer Mensch, der sich nicht mehr berühren lässt, im Innen und im Außen. Gelassenheit kann zur Tugend werden, aber niemals Gleichgültigkeit.

VOLL50: Fällt Anpassungsfähigkeit mit Voll 50 leichter oder schwerer?

Angelina Pucher: Anpassungsfähigkeit an die Rhythmen der Natur sind mir immer leicht gefallen, weil ich dadurch ein Teil eines Ganzen bin. Anpassungsfähigkeit an ein Gesellschaftsbild, um zu entsprechen, wie „man“ mich haben will, ist mir nie wirklich gelungen. Wenn ich es versucht habe, so habe ich mich schnell verloren und so manche Krankheit hat mich dann auf meinen Weg zurück geführt. Für mich als Menschen mit „Eigensinn“ war und ist Anpassungsfähigkeit an die Normen einer Gesellschaft immer schwer und wird mit Voll 50 definitiv nicht leichter. Muss ich aber auch nicht!

VOLL50: Worauf lohnt es sich zu warten?

Angelina Pucher: Warten hört sich ein bisschen an wie vertane Zeit. Wenn ich irgendwo warten muss, dann hab ich immer ein Buch dabei zum Schreiben oder Lesen. Aber es lohnt sich für mich, mich freudig erwartend in die Zeit zu träumen, wo meine Bücher verlegt werden und ich Geld mit dem Schreiben verdienen kann, ohne dabei meine Freiheit und heilige Ruhe in meinen geliebten Bergen zu verlieren. Und ich harre erwartungsfroh dem Tag entgegen, wo sich ein Regisseur findet, um das Leben der magersüchtigen angepassten Schülerin, Studentin, wild entschlossenen Freiheitskämpferin, Umweltschützerin, Auswanderin, der genesenen Sennerin, Mutter, Vollblutbäuerin, Autorin, Fotografin, Tänzerin, Krebspatientin, Ehebrecherin, Großmutter, Jägerin, …….. zu verfilmen.

www.sturm-archehof.at

Die Königin wirft keine Perlen vor die Säue

Die Gesetze einer Voll50-Frau kennt Gabriele Güntert aus dem Effeff. Deshalb plädiert sie dafür, endlich als „noble role models“ in Erscheinung zu treten.

VOLL50: Welche (unsichtbaren) Gesetze sollte frau mit voll50 intus haben?

Gabriele Güntert:

…die Gesetze von Mutter Erde, vor allem: wir sind alle eins!

…das 50+ Gesetz: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert“,

…das Gesetz, dass die 5. Jahreszeit, der Altweibersommer, kein Schimpfwort, sondern in Wirklichkeit unsere Zeit, nämlich die Zeit der hohen/weisen Frauen ist;

…das Gesetz der NO BRA Bewegung, welches die Wirkung von BHs anzweifelt 

…das Gesetz über die fünf Denkdisziplinen, aus denen sich unsere innere Führung zusammensetzt: Inspiration, Intuition, Herzintelligenz, Ratio und Absicht (Vivien Dittmar) und, am Wichtigsten:

… whatever the problem, community is the answer (Margaret Wheatley)

VOLL50: Wann ist es g’scheit, den Verstand zu analysieren?

Gabriele Güntert: Den Verstand zu analysieren ist immer g‘scheit – dann merken wir nämlich, dass wir gar nicht unser Verstand sind, sondern dieser lediglich ausspuckt, was wir zutiefst ersehnen oder fürchten oder manchmal beides. Dann merken wir außerdem, dass dies oft genug bloß unser monkey mind ist, der da in uns rumhüpft und uns ver-rückt macht und uns vorgaukelt, unsere oberste Instanz zu sein. …if you end up with a boring miserable life because you listened to your monkey minds in your head (teachers, parents, priests….) telling you how to do your life, then you deserve it (frei nach Frank Zappa). Also: knips an das Licht, schau genau bis in die dunkelsten Ecken deines Gehirnes und verjage, was da drinsitzt und dir nicht guttut!

VOLL50: Wie lässt man mit voll50 am elegantesten die Noblesse durchscheinen?

Gabriele Güntert: Noblesse, also von adeligem Blut sein – nun, unser Monatsblut ist ja schon an sich adelig, ist es doch unsere zutiefst ehrenvolle Gabe, Leben schenken zu können. So sind wir Frauen also von Natur aus adelig! Leider ist uns allen das ziemlich abtrainiert worden, und wir haben gelernt, es zu verstecken – nicht nur unser Blut, auch unsere Kraft. Mit voll50, wenn das Monatsblut vergeht, darf sich die reife Königin in uns erheben, denn wir sind aufgerufen als noble role models mutig voranzugehen und vorzuleben, was Frausein 2.0 bedeuten kann. Und das kann auch mal ganz unnobel sei. Also: kein elegantes „Durchscheinen“, sondern ein lebhaftes kräftiges Lebenszeichen setzen, denn das braucht unsere Welt heute mehr denn je!

VOLL50: Welchen Unterschied gibt es zwischen Präsenz und Aufmerksamkeit?

Gabriele Güntert: Präsenz – da bin ich ganz da, voll in mir und voll im außen, da bin ich in meiner Power und spüre mich ganz, von den Zehen bis in die Haarwurzeln, da bin ich authentisch und weiß intuitiv, was ansteht, was gebraucht wird, was ich geben kann und will. Da weiß ich ganz intuitiv, welche ich bin und welche ich sein und werden will, da gibt’s kein ‚Vielleicht‘, sondern nur ein ‚Leben ist jetzt und jetzt und jetzt‘, und das strahle ich mit meinem ganzen Wesen aus. Aufmerksamkeit ist stiller, ich merke auf – ich be-achte, ich lenke meine Wahrnehmung auf einen Menschen, ein Ding, eine Situation, ein Gefühl. Ich konzentriere mich für eine bestimmte Zeit auf etwas und schenke dem meine Hin-wendung; dies kann nach innen gerichtet sein oder nach außen, es kann mich entspannen, langweilen, inspirieren, erfreuen, ängstigen ….. es macht etwas mit mir, bis ich meine Aufmerksamkeit wie einen Scheinwerfer auf etwas anderes richte.

Meine Präsenz, das bin zutiefst ICH und sie beinhaltet meine Geschenke für die Welt, meine Aufmerksamkeit ist ein Energiestrom den ich etwas oder jemandem zufließen lasse.

VOLL50: Wem entzieht man mit voll50 am besten beides?

Gabriele Güntert: Meine Präsenz jenen Menschen, die dieser nicht würdig sind, weil sie achtlos und unwertschätzend mit mir umgehen, mich benützen, ausnützen. Meine Aufmerksamkeit Menschen, die diese aufsaugen wie ein Schwamm, ohne daraus irgendeine Entwicklung für sich zu kreieren sowie Dingen/Situationen, die ich nicht beeinflussen kann, wo meine Aufmerksamkeit sich wie ein Bumerang ins Negative kehrt und mich mit sich runterzieht.

Die Königin lädt ein, sie bettelt nicht und wirft keine Perlen vor Säue. Sie weiß, wann es Zeit ist zu gehen, weil alles andere vergebene Liebesmühe wäre.

Kontakt: gabriele. guentert@sol.at

Dankbar sein ist essenziell

Dampf ablassen mit Musik und Farbe – das hilft Daniela Steinbach. Und auch, das „Hirn tschechern“ produktiv zu nutzen und in Ideen münden zu lassen.

VOLL50: Wann sind innere Dialoge mit voll50 fruchtbar statt furchtbar?

Daniela Steinbach: Ich finde, dass sie immer fruchtbar sind. Wenn man sozusagen drauf los denkt und seinen Gedanken freien Lauf lässt, dann geht etwas weiter. Also habe ich eigentlich gar keine inneren Dialoge, sondern ganz viele Gedanken. Mein verstorbener Schwiegerpapa Otto hat das „Hirn tschechern“ genannt. Ein sehr treffender Ausdruck! Als ich viel jünger war, habe ich oft darüber nachgedacht, wie ich sein soll. Was ich wollen soll. Und so weiter. Das war mitunter mühsam, gehört aber sicher dazu…es gibt viele Etappen im Leben.

VOLL50: Bewusst zuhören – wie geht das?

Daniela Steinbach: Puh, das finde ich manchmal ein bissel schwierig! Ich höre einerseits total bewusst und gerne zu und bin wohl auch eine Art Medium. Oft erzählen mir fremde Menschen ihre Geschichten, Freundinnen und Freunde und meine große Tochter sowieso. Andererseits neige ich schon auch zum Unterbrechen, weil ich zum Beispiel sofort was Tröstendes einbringen mag. Dann höre ich wieder weiter zu. Daran will ich arbeiten. Das bewusste Zuhören ist noch viel schöner, wenn man nicht unterbricht! Mir selbst geht es auch voll am Keks, wenn ich unterbrochen werde.

VOLL50: Wie wichtig sind Vorbilder mit voll50?

Daniela Steinbach: Vorbilder werden zum Glück immer unwichtiger. Das ist das Schöne am voll 50 sein. Man entdeckt (und vielleicht auch schon ab 40 plus), dass man ein Unikat ist. Mit Stärken und Schwächen. Dass jeder einzelne Mensch ein Unikat ist und sein volles Potential ausschöpfen kann. Es braucht keine Vorbilder. Wobei es aber Menschen gibt, die man super findet oder das, was sie machen! Befremdlich finde ich es, wenn sich Frauen ab 40 plus oder gar noch jünger die Lippen verändern und neu formen oder die Nasen korrigieren lassen. Selfies mit vollen Lippen werden ins Netz gestellt, und man wünscht sich den Daumen hoch. Es ist wie mit allem. Inhalte in den sozialen Netzwerken können nützlich und amüsant sein. Aber auch gefährlich. Zum Beispiel was Vorbildwirkungen betrifft. Im Übrigen finde ich eine Nase mit einer Kurve oder einem kleinen Höcker schöner als eine ganz gerade 😊

VOLL50: Was hilft, wenn frau Dampf ablassen muss/will?

Daniela Steinbach: Wenn ich Dampf ablassen muss und will, dann male ich große bunte Bilder. Das ist mein Hobby. In den vergangenen Jahren hatte ich auch Ausstellungen mit Vernissagen. Und ich höre laut Musik und singe dazu. Meine Familie leidet dann immer, weil ich selten textsicher und auch melodiös nicht unbedingt sattelfest bin. Aber das ist mir Wurst! Außerdem schreibe ich Geschichten und Artikeln.

VOLL50: Führt Selbstreflexion mit voll50 immer zur Vision?

Daniela Steinbach: Nicht immer, aber es kann schon sein. Ich würde gerne noch Folgendes sagen (auch wenn nicht danach gefragt wird): Das Alter ist nur eine Zahl. Es gibt Menschen, die sind bereits mit Anfang 20 alt. Es gibt welche, die sind mit 85 extrem jung. Ich habe mal die Schauspielerin Gusti Wolf im Burgtheater gesehen. Damals laut Geburtsjahr sehr betagt. Auf der Bühne ist ein junges Ding herumgehüpft. So schön war das anzusehen! Das Leben ist herrlich und will genossen werden. Gute Gedanken denken, so oft es geht. Und wenn sich zwischendurch weniger gute einschleichen, dann umschwenken und wieder gute denken. Dankbar sein. Das ist essenziell.

www.danielasteinbach.at

Vom Nestchen am Boden des Herzens

Fotokredit: Dr. Susi Nagele

Wenn es nach Monika Krautgartner geht, ist Willenlosigkeit keine wünschenswerte Strategie. Vielmehr bestimmt Leidenschaft, Kompetenz und Fokus ihr Leben.

VOLL50: Welche Leidenschaft schafft mit voll50 keine Leiden?

Monika Krautgartner: Dinge, die ich mit Leidenschaft mache, machen mich auch glücklich, ergo verursachen sie keinen Leidensdruck, sondern Glückseligkeit und Euphorie. Natürlich zeigt mir mein Körper andere Grenzen auf, als es ein jüngeres Model tun würde. Doch meinen Leidenschaften fröne ich nach wie vor aus ganzem Herzen, sonst wären es ja auch keine Leidenschaften, sondern bestenfalls liebenswerte, lauwarm praktizierte Hobbys.

VOLL50: Wann ist Willenlosigkeit erlaubt, vielleicht sogar erwünscht?

Monika Krautgartner: Ich kann mir gar nicht vorstellen, meinen (doch recht ausgeprägten) festen Willen auszuschalten oder mich treiben zu lassen. Willenlosigkeit setze ich mit der Vorstellung gleich, dass jemand anderer das Ruder in Händen hält und „seinen Willen durchsetzt“. Das ist bei Gott keine sehr wünschenswerte Lebensführungsstrategie für mich. Ich liebe das Gefühl, die Herrin meines Geschickes zu sein, wohl wissend, dass manche Ereignisse außerhalb meines Einflussbereiches und auch „beim besten Willen“ nicht machbar sind. Aber: probieren tu’ ich’s immer. Ich habe es gern, wenn es nach meinem Willen läuft, um der Schönheit willen, um des Lebens willen, um meinetwillen.

VOLL50: Welche Kompetenzen werden mit voll50 weniger wichtig?

Monika Krautgartner: Mir scheinen alle jemals erworbenen Kompetenzen bedeutend und wichtig, vielleicht ist das Ergebnis allen erworbenen Wissens und aller erlernter Fähigkeiten die Basis für die vielzitierte gelassene Altersweisheit (die entdecke ich allerdings leider noch nicht an mir). Wer weiß? Ich genieße es, was zu können, was zu tun, was zu sein, wofür ich geackert habe. Für mich sollte die Frage eher „Welche Kompetenzen werden mit voll50 wichtiger?“ heißen, denn in meiner derzeitigen Lebensphase gibt es aufregende neue Dinge, ungeahnte Betätigungsfelder und überraschende familiäre Aspekte in den bestehenden Alltag zu integrieren.

VOLL50: An welcher Stelle muss man über Gefühle sprechen, an welcher sollte man sie verschweigen?

Monika Krautgartner: Ich habe gelernt, mit meinem Mann über meine Gefühle zu sprechen. Allerdings, das gebe ich gerne zu, bin ich kein Vorzeigemodel in Sachen emotionale Transparenz und Gesprächsbereitschaft zum Thema „Ich, mein Herz, meine Seele“. Ich habe immer das Gefühl, über meine Nöte und Sorgen mit jemandem zu sprechen, macht mich klein, verwundbar und schwach. Das möchte ich niemals sein, und es würde auch, glaube ich, niemandem in den Sinn kommen, mich so zu beschreiben. Ich finde es prinzipiell gut, nicht jedermann(frau) die eigene Gefühlswelt auf die Nase zu binden, zumal kein Satz, der je gesprochen wurde, wieder eingefangen werden kann und dem Gegenüber in Erinnerung bleibt. Das mag ich nicht. Mein Innenleben schlummert in einem tiefen, dunklen Nestchen am Boden meines Herzens und dort ist es gut aufgehoben.

VOLL50: Kämpft man mit voll50 noch um Kontrolle oder lernt man langsam, sie loszulassen?

Monika Krautgartner: Eines Tages werde ich meine Seele freigeben, das Leben loslassen, und beides in Gottes gütige Hand legen. Das wird sein, wenn ich sterbe. Ich vertraue darauf, dann aufgefangen zu werden, ich bin sehr gläubig. Bis dahin allerdings behalte ich (sofern mir meine geistige Gesundheit keinen Streich spielt) die Kontrolle über alle meine Lebensbelange. Dass ich um Kontrolle „kämpfe“, wie in der Eingangsfrage formuliert, stimmt allerdings nicht. Ich habe von jeher die Kontrolle über mein Leben, dessen bin ich mir bewusst und das mag ich, und muss nicht um sie kämpfen. Niemand kann sie mir streitig machen.

www.krautgartner-monika.at

Ein respektables Weib

Elfriede Grömer ist nicht nur bei Schönwetter loyal und immer dann charismatisch, wenn sie Menschen erreichen kann. Und sie ist dankbar für jede Enttäuschung, die ihr widerfährt.

VOLL50: Wann gehst Du die Dinge langsam an?

Elfriede Grömer: Es kommt darauf an, ob ich mit ganzem Herzen bei der Sache bin oder ob es sich um profane Dinge des Alltags handelt. Letztere schiebe ich gerne ein wenig vor mich hin. Solange ich mich kenne, habe ich Herzensangelegenheiten ohne Umschweife oder langes Überlegen angepackt. Dazu gehört absolut und in erster Linie die Musik und derzeit mein Naturstammhaus-Projekt. Das hat sich mit Voll Fünfzig nicht verändert, ist eher noch dringlicher geworden, weil mir meine Endlichkeit immer mehr bewusst wird. Behördenkram würde ich manchmal gerne auf den St.Nimmerleinstag verlegen, wenn es nur ginge. Wenn es sich jetzt um Zwischenmenschliches handelt, überlege ich genau, wie viel Nähe ich zulassen will und halte mich sehr zurück. Da kann schon einmal ein halbes Jahr vergehen, ohne dass ich Kontakt suche. Damit stoße ich sicher öfters jemanden vor den Kopf, aber das liegt daran, dass ich mit Hals-über-Kopf-Beziehungen sehr schlechte Erfahrungen gemacht habe.

VOLL50: Wie gestaltet man mit Voll Fünfzig am Besten die Zukunft?

Elfriede Grömer: Nichts aufschieben, was Freude macht! Sich ein gewisses Phlegma aneignen! He, du hast es geschafft, so halbwegs gesund und fit den finalen Lebensabschnitt zu erreichen. Die Aufreger von Gestern sind Schnee von Gestern. Das scheint zwar sehr egoistisch zu sein, aber verdammt! Wer hat uns das Recht auf gesunden Egoismus abgesprochen? Muss Frau, sobald sie des Alltagstrotts und der Dreifachbelastung ledig ist, sich sofort in die nächste Dreifachbelastung stürzen? Wer oder was befiehlt uns, dass wir ab dem Rentenalter die Uralten, Säuglinge und Kleinkinder und diverse einsame NachbarInnen zu betreuen haben? Das heißt nicht, dass ich es gerne von Zeit zu Zeit und in dringenden Fällen mache, aber nicht als Vollzeitpflegekraft ohne Entlohnung. Wann fände ich dann die Zeit für meine Musik, den Spanischkurs, die Walkingrunden mit der Freundin, für das Malen und Schreiben und fürs Sechseck-Rundstammhäuschen mit Autarkiekonzept? All die Dinge, die wirklich lange in mir schlummern mussten und jetzt mit aller Kraft heraus brechen.

VOLL50: Wie viel Hoffnung steckt in Enttäuschung?

Elfriede Grömer: Das Wort ‚Enttäuschung‘ birgt in sich schon Magie. Es hebt den Schleier der Selbsttäuschung, und das ist heilsam. All die Enttäuschungen meines Lebens haben mich vieles gelehrt. Erstens bewusster hinzusehen bei allzu freundlichen Personen. Zweitens nicht gleich alles zu glauben und bei Zweifeln nachzubohren und zu hinterfragen. Im Grunde passieren mir Enttäuschungen, wenn ich Erwartungen habe, die relativ unrealistisch sind. Ich danke dem Leben für jede Enttäuschung, sie haben mich zu dem respektablen Weib gemacht, das ich jetzt bin.

VOLL50: Hat Frau mit Voll Fünfzig gelernt, ihr Charisma einzuschätzen?

Elfriede Grömer: Sobald ich authentisch bin, spüre ich, dass ich Menschen erreichen kann. Zum Beispiel als eine Hälfte des Duos Hollapercht, das ich mit meiner Schwester Christiane gegründet habe. Dank der Gabe, mich selbst nicht tierisch ernst zu nehmen, gelingt es mir ganz gut, mit meinem Charisma umzugehen und es bei Auftritten bewusst einzusetzen. Es war zwar ein langer Prozess, denn als junge Frau habe ich meinem Charisma nicht vertraut, mich im Gegenteil immer gewundert, weshalb ich manchmal plötzlich Mittelpunkt war. Dabei machte ich die Entdeckung, dass ich in diesen Situationen völlig losgelöst, unbeschwert und charmant war, sozusagen die Sau heraus gelassen habe. Ich darf nur den Zeitpunkt nicht übersehen, wenn ich in Schwung bin, mich wieder zurückzunehmen. Denn wie bei allen Dingen, ist allzu viel eher ungesund.

VOLL50: Wann wird Loyalität zum Kampf?

Elfriede Grömer: Wenn der geliebte Mensch, hinter dem ich immer voll und ganz gestanden bin, den ich gegen Anfeindungen verteidigt und bei allem unterstützt habe, sich plötzlich total von mir lossagt. Es erfordert schon eine Eselsgeduld, weiterhin loyal zu bleiben und nicht an dem zu zweifeln, was uns bisher verbunden hat. Ab und zu kommt mir zu Ohren, dass genau dieser Mensch in der Öffentlichkeit schlecht über mich spricht, aber auch da bin ich eher jemand, der erst selbst nachfragt, was dahinter steckt, bevor ich Gerüchten glaube. Die letzte Option ist, sich von der Person loszusagen, und einige Male hab ich schon ewig lange zugesehen, bis ich diesen endgültigen Schritt gewagt habe. Doch dann ist es wirklich endgültig! Schwierig sind auch die Situationen, wenn sich alle Welt gegen jemanden verschworen hat, den ich sehr mag, schlimme Dinge von der Person behauptet werden und ich scheinbar die Einzige bin, die noch zu ihr hält. Dann: siehe Strategie Nummer Eins. Nachfragen, was davon wahr ist. Wenn es um Familie geht, ist Loyalität sowieso eine Frage der tiefen Verbundenheit und obligat. Außer es ist Gewalt im Spiel oder krankhaftes Suchtverhalten, bei dem man die geliebte Person wirklich fallen lassen muss, um ihr die Chance auf Rettung nicht zu verbauen. Das ist mir zum Glück in meinem Leben erspart geblieben und darum stand meine Loyalität noch nie auf dem härtesten Prüfstand.

„Willen zurückstecken, aber immer in Freiwilligkeit und in Bewusstheit“

Fotocredit: GABRIELE SCHWAB https://www.lightup-photography.com/

Claudia Lämmermayer ist viele Umwege gegangen und dadurch in ihre Kraft gekommen. Nicht zuletzt deshalb plädiert sie für ein neues Selbstbild der „alten, weisen, und sinnlichen“ Frau, das sehr bunt sein darf.

VOLL50: Wie aktiviert man sich mit „voll50“, wenn man einmal gaaaaar nicht mag?

Claudia Lämmermeyer: Gaaaaar nicht mehr! Entweder ich mache was gerne oder gar nicht. Ich habe in meinem Leben mit viel Mühe und Reflexion erreicht, das ich jetzt mit fast 60 auch nicht mehr mögen muss. Meine Vergangenheit war eine Geschichte des „Müssens“. Aufgewachsen bin ich in einer Arbeiterfamilie mit einem gewalttätigen Vater, einer bedürftigen Mutter und einem Nachbarn, der mich vom 6. Lebensjahr an sexuell missbrauchte. Da war es für mich überlebensnotwendig, nicht zu fühlen und immer zu mögen! Mein unerschütterlicher Glaube an Entwicklung, unzählige Therapiestunden, meine gute Anbindung an die Welt des Spirituellen, wunderbare Menschen und das Leben an sich haben mich heil gemacht. Es war ein langer Weg. Zuerst ging es darum, die eigenen Wünsche erst mal zu fühlen und dann auch noch sie umzusetzen. Da waren schon auch einige Umwege dabei.

Jetzt bin ich in der glücklichen Lage, dass ich mich zu nichts mehr aktivieren muss. Natürlich brauchen die Notwendigkeiten des Lebens, wie zum Beispiel die Buchhaltung oder die Katzenkiste auszuräumen, etwas Disziplin, aber damit hat es sich auch schon. Das Gefühl von Antriebslosigkeit kenne ich nicht. Ich durfte keine höhere Schule besuchen und bin mit 16 daheim ausgezogen. Jetzt liebe ich es zu lernen und in meinem eigenen Unternehmen DIE Arbeit zu machen, die mir Sinn, Freude und Erfüllung bringt. Meine Umwelt unterstellt mir, dass mein Tag 48 Stunden hätte. Das wäre so genau das Richtige für mich. Und damit ich alle meine Leidenschaften noch unterbringe, habe ich mir vorgenommen, dass ich mindestens guterhalten 100 Jahre alt werde.

VOLL50: Welches „ich bin“ in Deinem Leben mochtest du bislang am liebsten?

Claudia Lämmermeyer: Zu 100 Prozent das jetzige. Denn je reifer ich werde, desto authentischer bin ich, und so wie ich jetzt bin, kann ich mich wirklich gut leiden. Ich genieße dieses ICH BIN im Hier und Jetzt wirklich sehr. Durch meine unendliche Neugier hole ich mir viel Buntheit in mein Leben. Und mit einer gehörigen Portion Humor mache ich auch oft verrückte Dinge. Eine Firma gründen, den LKW-Führerschein machen, griechische Musik singen, alternative Hochzeiten und Taufen zu organisieren, Vulven aus Filz zu nadeln, Märchen zu schreiben und vieles mehr. Auf der Suche nach (m)einer spirituellen Heimat bin ich auch gleich zweimal aus der katholischen Kirche aus- und wieder eingetreten. Würden die Kirchenmänner die Ordination für Frauen erlauben, wäre ich vermutlich auch noch Pfarrerin geworden. Obwohl – als feministische Theologin war es mir schon auch bald klar, dass die eingeschränkte Sichtweise der christlichen Religion zu wenig ist. Ein nur männliches Gottesbild geht gar nicht mehr. Ergänzt durch die matriarchale Spiritualität habe ich jetzt zu einem wirklich feinen Glauben und Vertrauen in die göttlichen Welten gefunden. Das erdet mich, gibt mir Kraft und Liebe! Und vielleicht gründe ich ja noch eine neue Religion – wer weiß? Ich bin in den besten Jahren. Ich erlaube mir auch, täglich zu entscheiden, ob etwas gut für mich ist. Nachzufühlen, ob es lustvoll, sinnvoll ist, ob es Spaß macht, Geld bringt… Diese Freiheit empfinde ich als wirkliches Geschenk. Ich fühle eine große Dankbarkeit für mein jetziges Leben.

Ich bin auch unerschrocken genug, um Ungerechtes anzusprechen und dafür auch aktiv zu werden. Speziell die Lebenswelten und die Ungleichbehandlung der Frau sind mir ein besonderes Anliegen. Das ewige Patriarchat hat hier leider tiefe Spuren hinterlassen.

VOLL50: Inwiefern ist man mit „voll50“ jenseits von Gut und Böse?

Claudia Lämmermeyer: Ich habe gerade mal überlegt, wie du die Frage meinst. Und ich habe mich entschieden, sie für den Bereich der Sexualität zu beantworten. Denn über Sexualität der Frauen wird viel zu wenig gesprochen. Das hat bei uns keine Tradition. Leider! Ich fühle mich sehr sinnlich und genieße und liebe erotisches Tun. Ich habe mich aufgrund meiner traumatischen Missbrauchserfahrungen mit dem Thema sehr lange beschäftigt. Mein Lebensthema war es, darauf zu warten, geliebt zu werden. Aber ich hatte mir Partner und Partnerinnen gesucht, die hier zum Glück nicht mitspielten. Denn dadurch war ich auf mich selbst zurückgeworfen und konnte erst mal die „alten“ Bedürfnisse erkennen und in mir klären. Ich begab mich auf die Suche nach Selbstliebe und Selbstakzeptanz. Es war und ist ein langer Weg! Bei einem ganz guten Pegel an Selbstliebe angekommen, erkannte ich dann auch, dass mir die standardisierte Sexualität in meiner Beziehung keinen Spaß mehr machte. Ich hatte keine Orgasmus-Probleme oder Berührungsängste, aber es passte einfach nicht mehr. Es war dann schon echt ein Ehrlichkeits-Kracher als ich sagte: „Stopp, gerne, aber so nicht“. Mit dieser Klarheit habe ich meinen Partner sehr verschreckt – bis jetzt! Ich liebe meinen Mann, aber das bekommen wir irgendwie gemeinsam nicht auf die Reihe. Vielleicht sind wir da einfach nicht kompatibel? Wir Frauen sollten uns nicht nur mögen oder gut finden, was wir denken und tun. Wir dürfen uns auch körperlich spüren, annehmen und uns selbst erotisch lieben. Ich höre dann oft: „Ach, der Sex ist mir nicht mehr so wichtig, das ist vorbei, das hat keine Bedeutung mehr.“ Aber bitte!!! Wie kann denn die körperliche Erfahrung mit mir selbst keine Bedeutung mehr haben? Ich glaube, das ist ganz viel Vermeidungsverhalten dabei. Es hat halt auch keine Geschichte, dass die Eigensinnlichkeit wirklich Raum haben darf.

Eine ganze Industrie ist darauf ausgerichtet, die „alte“ Frau – jenseits von Gut und Böse nicht alt werden zu lassen und fit zu halten, auf Hometrainer zu setzen, mit Verdauungskapseln zu füllen aber um was zu tun? Zu gefallen? Dem Panikbild der „alten Frau“ entgegenzustehen? Ja – aber warum? Ich denke, es gehört ein neues Selbstbild der „alten, weisen, und sinnlichen“ Frau her, das sehr bunt sein darf.

VOLL50: Wie könnte die ideale Verbindung zwischen Weisheit und Inspiration aussehen und gelebt werden?

Claudia Lämmermeyer: Inspiration ist mein zweiter Vorname – manchmal habe ich zu viel dieser Energie und sprudle über mit neuen Gedanken, neuen Produktideen. Ich bin da wie ein Radio, das auf Empfang steht und über die verschiedenen Kanäle Inputs bekommt. Die Kanäle können die nicht zufälligen Zufälligkeiten sein oder ein göttlicher Download oder ein Buch, eine Begegnung… Inspirationen kommen auf mich zu!

Mit der Weisheit ist es da nicht ganz so einfach. Weisheit wächst im Innen. Das ist nichts, was ich wirklich erlernen könnte. Sie entsteht über meine Erfahrungen. Es hat mich durchs Leben gebeutelt, und wenn ich das Erlebte reflektieren und in ein gutes Leben umändern kann, dann komme ich in die Energie von Weisheit. Aber wer definiert, ob das nun weise ist? Weisheit wird gerne mit dem „Alter“ in Verbindung gebracht. Ich bin jetzt 50+. Bin ich dadurch weise? Was macht mich weise? Ich kenne so viel superbescheuerte 50,60,70+ Menschen, dass ich nicht denke, dass Weisheit mit dem Alter automatisch kommt.

Was mir aber gut gefällt ist das System der Archetypen. Hier beginnt die junge Frau in ihrer weißen Qualität mit der Inspiration, die übernommen wird von der rote Frau der Umsetzung und die in der Blüte ihres Lebens steht. Diese Dreifaltigkeit führt dann über in die weise Alte, die in der letzten Triade reflektiert, zurückschaut, Abschied nimmt… und wieder neu geboren wird in der jungen Frau. Körperlich können wir diesen Zyklus nur einmal machen, aber emotional, in Projekten, in mentalen Angelegenheiten ist das ein wunderbares Kommen-Sein-Vergehen – UND wieder Kommen!

VOLL50: Welche Rolle spielt der eigene Willen mit „voll50“?

Claudia Lämmermeyer: Eine große Rolle. In meiner Jugend war ich nämlich ein willenloses Wechseltierchen. Hatte ich einen Freund mit einem Pferd, fing ich zu reiten an, hatte ich einen belesenen Partner, kaufte ich mir Rilke (ohne ihn zu lesen) und mit meinem Biologen ging ich in den Wald, um Knospen zu bestimmen. War ich bei Diskussionen mit dabei, hielt ich mich vornehm zurück, da ich sehr oft keine Idee hatte, was ich dazu sagen sollte. Es kam in meinem Leben zu allerlei schrägen Entscheidungen. Mit 16 mietete ich ein Abbruchhaus und machte eine WG draus. Mit 17 dachte ich, es wäre cool als Prostituierte zu arbeiten und hatte bereits einen Freund, der mich an seinen Freund „vermieten“ wollte. Dann schlitterte ich mit einem sehr jähzornigen Mann in meine erste Schwangerschaft, um kurz darauf in Wien die Abtreibung durchführen zu lassen. Damals sang ich in einer Country-Band und war ziemlich dynamisch unterwegs. Hättest du mich damals gefragt „Welche Rolle spielt dein eigener Wille!“ wäre meine Antwort gewesen „Ich mache ja eh, was ich will.“ Natürlich spürte ich, dass etwas nicht stimmte, aber es war mir noch nicht möglich, das zu erkennen.

Heute, nach vielen Jahren der Aufarbeitung und Klärung, denke ich zumindest, dass ich in großen Teilen meines Lebens weiß, was ich will, wobei ich bei vielen Entscheidungen sehr unkompliziert bin. Wenn ich allerdings meine Freiheit, Autonomie oder Gleichberechtigung bedroht sehe, dann kommt meine innere Tigerin zum Einsatz, und ich erkläre lautstark, was mein Wunsch, mein Wille ist. Ich kann gut Kompromisse mittragen – besonders wenn sie dem Gemeinwohl dienen. Ich kann geben und meinen Willen zurückstecken, aber das passiert immer in Freiwilligkeit und in Bewusstheit. Es ist ein gutes Gefühl, zu spüren, dass der Wille da ist und gelebt werden kann oder in Freiheit zurückgenommen wird.

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Hippiemädchen, Rockerbraut und Rebellin

Wenn wir etwas mit voll50 wissen, dann das: Wir sind viele…Rollen. Susanne Erhardt spricht darüber, aber auch über die positive Rolle des Dramas im Leben und disziplinierte Eigenverantwortung.

VOLL50: Wie kann mit „voll50“ ein kreativer Umgang mit dem Leben aussehen?

Susanne Erhart: Ich denke, es ist hilfreich, wenn man sich über eines im Klaren ist: Nix – aber schon gar nix – is fix. Sich immer wieder überraschen lassen – durchaus auch von sich selber. Offen sein für das, was kommt. Im Heute leben und nix aufschieben. Gespannt & spannend bleiben. Mein Bestes geben und drauf vertrauen, dass es dann schon alles gut sein wird, so, wie es kommt. Oder, wenn es nicht so gut kommt, darauf vertrauen, dass man dann damit umgehen können wird. Sich belohnen, wo immer es geht (extrem wichtig!). Das Alter – diese ominöse, absolut nichtssagende Zahl – nicht als Maßstab und schon gar nicht als Ausrede sehen. Und ganz wichtig: In sich rein fühlen, welcher innere Anteil gerade gehört werden möchte. Und hey, da stecken ja dermaßen viele Facetten in uns großartigen Ü50erinnen: das Mädchen, die junge Frau, die erwachsene (schon fast weise) Frau. Ich persönlich hab dann noch ein Hippiemädchen, eine Unternehmerin, ein Cowgirl, eine Rockerbraut und eine Rebellin in mir drin – aber das ist eine andere Geschichte. Das ist meine Art kreativer Umgang mit dem Leben. Für mich klappt das ganz gut.

VOLL50: Wie gehen Liebe und Freiheit zusammen?

Susanne Erhart: Auch wenn´s manchmal so aussieht, als würden Nähe und Freiheit sich spießen – in einer perfekten Welt gehen die beiden nie ohne einander! Aber welche Welt ist schon immer perfekt. Das Nähe-Enge-Thema wird jedenfalls intensiver. Dem anderen seine Freiheit lassen – aber nicht auf Kosten der eigenen – das ist schon eine hohe Kunst. Irgendwie ist es – je nach Tagesverfassung – ein ständiger Spagat zwischen Nähe und Unabhängigkeit. Zwischen dem Bedürfnis nach Freiheit und dem Wunsch nach dem Zusammen-Altwerden. Dem Bedürfnis nach totaler Verschmelzung und dem nach dem Ausleben von individuellen Interessen. Mal klappt das besser, mal schlechter. Das ist schon okay so.

VOLL50: Wann hört mit „voll50“ die Lust aufs Drama auf?

Susanne Erhart: Mein erster Impuls beim Lesen der Frage? Na hoffentlich nie! Drama Baby!! Weil: Drama kann ja auch durchaus spannend sein– es gibt dem Leben Würze. Aber – und das war der zweite Impuls – ich würde mir die Dramen vielleicht nicht mehr gar so dramatisch wünschen. Wenn´s leicht geht … bitte. Wobei: Die meisten vermeintlich großen Dramen meines Lebens haben sich im Rückblick als unglaubliches Glück und auch als richtungsweisend erwiesen. Auch wenn das erst mal absolut nicht den Anschein hatte. Das Geheimnis ist, den Zeitraum der Rückschau – dem Drama angemessen – lang genug zu wählen. Manchmal braucht es halt auch durchaus ein paar Jahre, bis sich einem der Sinn erschließt. Aber dieses Wissen allein ist schon recht tröstlich, wie ich finde.

VOLL50: Braucht frau für Eigenverantwortlichkeit Disziplin? Und warum (nicht)?

Susanne Erhart: Eines meiner Lieblingsthemen! Ja, es braucht Disziplin. Und zwar jede Menge. Aber sie darf nicht dazu missbraucht werden, ständig über ungesunde Grenzen zu gehen und sich auszubeuten, sondern vielmehr dazu, im Gegenzug wieder herrliche Freiräume zu erschaffen.

Aber auch in anderer Hinsicht beschäftigt mich das Thema Disziplin gerade. Es hat mit der Disziplin meiner Gedanken zu tun. Ich habe mir angewöhnt, immer mehr zu hinterfragen, welche meiner Gedanken förderlich und gut sind. Für mich, aber auch für andere. Das erfordert richtig viel Disziplin – und Ehrlichkeit! Wir denken ja gerne immer wieder mal Dinge, die uns oder auch anderen um uns herum nicht gerecht werden, nicht gut tun, und die uns auch absolut nicht weiter bringen. Auch diese Gedanken-Disziplin gehört für mich zur Eigenverantwortlichkeit. Ich bin darin noch lange nicht perfekt, aber allein die Auseinandersetzung mit diesem Thema verändert meinen Blick auf die Dinge. Macht ihn und somit mich gelassener und mein Urteil milder. Und das schadet keineswegs.

VOLL50: Welches Spiel sollte frau mit „voll50“ auf jeden Fall beherrschen?

Susanne Erhart: Wie war das? „Menschen hören nicht auf zu spielen, weil sie alt werden, sie werden alt, weil sie aufhören zu spielen“.(Oliver Wendell Holmes) Das sagt eigentlich schon alles. Und das kommt mir sehr entgegen, weil das Spielerische aus meinem Leben nicht wegzudenken ist. Es gibt meinem Alltag die erforderliche Leichtigkeit, hilft, die Dinge von ganz vielen Seiten zu betrachten und bringt mich auf manch kreative, durchaus auch unkonventionelle Lösungsidee. Welches Spiel konkret? Das bleibt dann jeder von uns selbst überlassen. Nur aufhören sollte man damit nie.

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