„Ohne Krise kapieren wir es nicht“

Wer etwas verändert, zerstört auch immer etwas. Und das kann eine befreiende Erfahrung sein, sagt Sabine Wagenhofer. Die Vernunft fahren lässt sie nur bis zu einem gewissen Punkt.

VOLL50: Was muss passieren, damit frau mit voll50 in die Erneuerung geht?
SABINE WAGENHOFER: Etwas gravierendes, glaube ich. Bei den meisten muss vermutlich ein einschneidendes Erlebnis passieren, damit sie aus der Komfortzone, in der frau meistens mit 50 lebt, herauskommt. Nur wenn etwas Gravierendes passiert, bringt eine ins Nachdenken: Will ich jetzt so weiter machen oder ändere ich etwas? Anders kapieren wir es vermutlich nicht. Ich definitiv nicht. Ich brauche immer meine drei Ohrfeigen, bis ich etwas checke. Andere brauchen vielleicht nicht so viele. Bei mir war es halt das Burnout, das mir den Weg gewiesen hat – und da war ich noch gar nicht 50. Und wenn ich recht überlege, kenne ich tatsächlich auch Frauen, bei denen etwas passiert ist, etwa weil ihnen der Mann weggelaufen ist. Ich glaube, die wenigstens kommen ganz von alleine drauf, dass sie eine Situation ändern.

Ich habe bei einer guten Freundin erlebt, dass die Kinder aus dem Haus waren, und dann hat sie gemerkt, dass die Ehe auch nicht mehr passt, weil immer die Kinder im Mittelpunkt gestanden sind. Und dann kam das böse Erwachen. Was tue ich jetzt mit mir selbst?

VOLL50: Wie viel Zerstörungsenergie ist dabei im Spiel?
SABINE WAGENHOFER: Das ist eine gemeine Frage. Ohne eine gewisse Zerstörungsenergie geht es meiner Meinung nach nicht. In meinem Fall war vielleicht unterbewusst diese Energie aktiv, aber ich bin generell kein Zerstörmensch. Aber klar, frau zerstört das bestehende Leben, wenn sie sich erneuert. Was habe ich zerstört? Freundschaften, einige. Auch Einstellungen natürlich, aber eher in dem Sinne, dass ich sie aufgegeben habe. Weil ich immer die Brave, Liebe, Nette war, die immer zu allem ‚Ja‘ und ‚Amen‘ gesagt hat. Und irgendwann einmal bin ich für meine Einstellung eingestanden. Also habe ich sicher auf für andere die Einstellung zerstört, die sie zu mir hatten. Das wurde mir ja dann auch vorgeworfen, dass ich mich so verändert hätte. Das war am Anfang kein gutes Gefühl, aber ich dachte mir dann, dass Veränderung ohne Verluste nicht geht. Und irgendwann einmal war ich an dem Punkt, wo ich mir dachte: Entweder sie akzeptieren mich so, wie ich jetzt bin – weil das ist ja mein wahres Ich und nicht das verstellte aus der Vergangenheit – oder wir passen einfach nicht zusammen. Fertig. Aber das hat eine Zeitlang gedauert, bis ich das gecheckt habe.

VOLL50: Welche Kraft liegt mit voll50 in enttäuschter Hoffnung?
SABINE WAGENHOFER: Bei mir persönlich nicht so viel. Ich bin generell ein Mensch, der hunderttausend Ideen hat. Und ich probiere etwas, und wenn das nicht klappt, kommt die nächste Idee dran. So war ich immer schon, stets optimistisch und positiv. Ich habe so viele Ohrfeigen gekriegt, und klar habe ich auch Phasen gehabt, wo es mir richtig dreckig gegangen ist. Allerdings kann ich mich sehr schnell wieder selbst aufbauen. Und ich gehe dann in den „Jetzt erst recht“-Modus. Stell Dich gerade hin, schminkst Dich und ziehst etwas Schönes an, auch wenn’s Dir noch so scheiße geht. Und für diese Gabe bin ich wirklich megadankbar. Ich hatte auch im Burnout nicht das Problem, dass ich in die Depression gefallen bin. Das haben damals auch alle Therapeuten bestätigt.

Zur Hoffnung zurück: Wenn ich etwas nicht probiere, weiß ich nicht, ob etwas funktioniert. Ich probiere alles, aber ich stecke nicht zu viel Energie und Kraft hinein. Wenn es nicht klappt, denke ich mir, dass es eben nicht das Richtige war. Bei der Vielzahl an Ideen wird sicher die passende dabei sein.

VOLL50: Wie viel innerer Dialog ist für einen äußeren Dialog nötig?
SABINE WAGENHOFER: Ich bin zu intuitiv und spontan für innere Dialoge. Natürlich habe ich sie auch, aber nicht gravierend. Ich habe die Prägung durch das Geschäft meiner Eltern, dass ich immer zu lachen hatte, immer zu grüßen hatt, immer freundlich zu sein hatte. Und irgendwann einmal wollte ich das nicht mehr, weil mir durchs Leben das Lachen vergangen ist. Und das war der Zeitpunkt, wo ich auch etwas geändert habe. Im Grunde gibt es insofern so auch bei mir innere und äußere Dialoge, aber die beiden wachsen mehr und mehr zusammen. Vor allem bei den Dingen, die mir am Herzen liegen. Mein Mann sagt in solchen Situationen dann immer: ‚Denken vor Reden‘.

VOLL50: Wann darf frau mit voll50 auch einmal die Vernunft fahren lassen?
SABINE WAGENHOFER: Immer. Im Endeffekt sind wir alle sehr vernünftig, wie wir leben. Doch gerade deshalb können wir die kleinen Vogelgeschichten, die wir alle haben, kann frau ruhig rauslassen. Das macht das Leben lustiger und bunter.

Andererseits: Es ist gut und schön, dass frau auf sich schauen sollte. Das ist ja in den vergangenen Jahren ein großes Thema geworden. Trotzdem leben wir auf einem Planeten, wo es auch noch andere Menschen gibt. Es gibt einfach Menschen, wo nur noch das ‚Ich‘ zählt, und so funktioniert Gemeinschaft aber nicht. Respekt und Wertschätzung müssen immer vorhanden sein, und dass ich niemanden beleidige oder/und verletze. Das ist für mich die Grenze für Unvernunft. Ich bin seit 33 Jahren verheiratet, und Beziehung ist immer Arbeit. Und da geht es halt nicht mit dem Ego-Trip. Ich habe einen Partner und berücksichtigen, was er will, auch wenn es nicht meins ist. Aber er macht ja dafür auch etwas, wo er mir entgegen kommt.

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