„Das Projekt ICH ist noch lange nicht abgeschlossen“

Wenn man sich wie Sigrid Leutgeb-Webersdorfer dazu entschließt, so zu leben, wie man es will, tut sich einiges in der eigenen Biographie. Und herauskommen kann ein wunderbares, neues Leben.

VOLL50: Welches Projekt sollte mit voll50 an oberster Stelle stehen?

Sigrid Leutgeb-Webersdorfer: Das eigene ICH, die eigene Person. Das ist sowieso ein Projekt, dass wahrscheinlich keine Deadline hat, sondern vom ersten Tag der Geburt bis zum letzten Tag im Leben immer ein Projekt bleibt, aber halt unterschiedliche Phasen hat.

So ist man als Kind noch stark von den Eltern abhängig, als Jugendliche findet man Eltern uncool und orientiert sich an Freunde und Menschen außerhalb der Familie. Irgendwann verliebt frau sich, gründet eine Familie oder auch nicht. Die eigene Person ist da aber auch nicht so im Fokus. Die Karriere ist wichtig, somit wieder eine Orientierung außerhalb des eigenen Ichs, um vielleicht der Gesellschaft, einzelnen Personen zu entsprechen und deren Erwartungshaltung zu erfüllen. Ich habe mit etwa 48 Jahren begonnen, mich auf mich zu konzentrieren, ohne egoistisch zu sein, aber mir wurden einfach mein Ich, meine Empfindungen, meine Gedanken, meine Gefühle, mein Fokus auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben wichtiger, trennte mich von Menschen, die mir nicht gut taten, begann Hobbies, wie beispielsweise das Klettern, das ich davor nicht tat, da mein Ex-Mann dies nicht wollte. Ich begann mein Leben auf meine Bedürfnisse auszurichten und merkte, dass es mir so richtig gut ging.

Ich begann zu LEBEN, so wie ich es wollte, und das hat sich auch mit 53 Jahren nicht geändert. Ich bin nun wieder verheiratet, bin relaxt und gestalte mein wunderbares Leben bewusst so, dass meine Bedürfnisse, mein Ich nicht zu kurz kommen. Ich habe vor zwei Jahren meinen verdammt gut bezahlten Job aufgegeben, weil ich nicht mehr fremdbestimmt sein wollte. Ich wollte Frau meiner Zeit sein und bin in die Beratung gegangen, arbeite jetzt wahrscheinlich mehr als zuvor und verdiene viel weniger, kann mir meine Zeit einteilen und bin drei bis vier Monate im Jahr auf Urlaub. Was noch kommen wird, weiß ich nicht. Ich weiß jedoch, dass ich auf meine Bedürfnisse höre, mein Leben in die Hand nehme und das mache, was Spaß macht.

Also, um auf die Frage zu Beginn noch mal zurückzukommen – ja, ICH stehe im Mittelpunkt, und das Projekt ICH ist noch lange nicht abgeschlossen. Und das ist gut so!

VOLL50: Welche Einrichtungsgegenstände sollte das innere Zuhause unbedingt haben?

  • Selbst-Vertrauen und Selbst-Bewusstsein, um das Projekt ICH am Ende gut abschließen zu können und keine Wehmut der Versäumnis zu verspüren
  • Freiheit, verbunden mit Neugierde und Offenheit, um für Veränderungen immer offen zu sein und die unterschiedlichen Wege, die frau im Leben beschreiten kann, nicht zu übersehen.
  • Empathie, Liebe und Anteilnahme, um auch das Geben nicht zu vernachlässigen
  • Ungeduld, um im Leben nicht still zu stehen
  • Zufriedenheit, um das genießen zu können, was ist
  • Glück wahrscheinlich auch, wobei mir die Zufriedenheit wichtiger ist
  • Krisen, um sich weiterzuentwickeln und zu lernen
  • Raus aus der Komfortzone, um die Herausforderungen des Lebens proaktiv anzunehmen und zu gestalten

Ich denke, das innere Zuhause ist schon gut eingerichtet, und die noch freien Räume sind dazu gedacht, für Ungeplantes noch Space zu haben. Ich möchte nicht alles verstellen ….. 😉

VOLL50: Wann kann Frau mit voll50 stolpern, auch wenn sie einen Schritt nach dem anderen macht?

Sigrid Leutgeb-Webersdorfer: Das ist eine sehr gute Frage. Ich würde es aber nicht stolpern nennen, sondern Weiterentwickeln oder Lernen. Also sinngemäß – hinfallen – Krone richten – aufstehen – weitergehen und beim nächsten Stolpern – das Gleiche …., aber nie stehen bleiben!!!

VOLL50: Ist Geduld eine Qualität oder eine Qual?

Sigrid Leutgeb-Webersdorfer: Weder – noch oder beides! Ich persönlich empfinde Geduld dann als Qualität, wenn dies mit Gelassenheit und Zufriedenheit zu tun hat, also wenn ich so richtig in meiner Mitte bin und selbst entscheide, was ich will und was mir gut tut. Für mich wird Geduld haben MÜSSEN zur Qual, wenn ich nicht will, aber muss, also mir dies von außen diktiert wird. Da kann es gut sein, dass ich ausbreche und dann selbst entscheide, ob ich geduldig sein will oder ungeduldig. Das heißt, für mich ist der entscheidende Punkt, kann ICH Geduldigsein selbst zu entscheiden oder nicht.

VOLL50: Was ist mit voll50 die wichtigste Facette von Selbstachtung?

Sigrid Leutgeb-Webersdorfer: Eine wunderschöne Frage, mit der ich mich sehr gerne auseinandersetzen mag. Die wichtigste Facette von Selbstachtung ist für mich, sich selbst anzunehmen – mit allem, was mich ausmacht, mit allen Ecken und Kanten, Stärken und Schwächen, und dass ich mir selbst und anderen Liebe schenken und Empathie entgegenbringen kann.

Eine weitere Facette von Selbstachtung ist für mich, das eigene Verhalten an der eigenen Werteorientierung ausrichten zu können und meine Werte nicht zu verleugnen, nur um es anderen recht zu machen. Übrigens – für mich ein echter Luxus mit voll50. Und somit schließt sich der Kreis zur ersten Frage wieder! Frei nach dem Motto: Das Leben ist – so wie es ist – schön, von einfach war nie die Rede 😊

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