„Genussvoll, liebevoll, hoffnungsvoll“

Begrenzungen, die durch Kompromisse gesetzt werden, sind völlig sinnlos – eine der vielen Erkenntnisse von „Voll50“-Frau Petra Weiss.

VOLL50: Welche Rolle spielt das Versagen bei der Kreativität?

Petra Weiss: Trial and error, nur so geht’s voran, nur so entwickelt man sich und nur wer nichts tut, macht keine Fehler. Ich bin ein sehr kreativer Mensch, probiere also viel aus und da gelingt natürlich nicht alles gleich auf Anhieb. Ich habe zum Beispiel mal einen Schnupperkurs im Alphornblasen besucht. Das war für mich als Flachlandtirolerin alles andere als einfach, aber je weiter der Abend voranschritt, desto besser wurde ich und ich war nachher richtig stolz auf mich. Gleich von Versagen zu sprechen, nur weil etwas nicht klappt, käme mir nicht in den Sinn. Ich würde in dem Fall für mich resümieren: Okay, ich hab’s versucht, ist aber nichts für mich, probiere ich halt was anderes…

VOLL50: Auf welche Art von Fülle will man mit voll50 auf keinen Fall mehr verzichten?

Petra Weiss: „… auf keinen Fall mehr“ impliziert ja, dass man vorher verzichtet hat. Diese Frage stellt sich mir so nicht. Ich hatte, habe und werde haben (davon bin ich fest überzeugt) eine Fülle von schönen Momenten, die ich erleben, eine Fülle von Möglichkeiten, die ich nutzen, eine Fülle von Ideen, die ich umsetzen und einen reichen Erfahrungsschatz, auf den ich zurückgreifen kann. Zu meinem aktiven Wortschatz gehören: geschmackvoll, genussvoll, liebevoll, hoffnungsvoll, humorvoll, schwungvoll, phantasievoll.

VOLL50: Welche Begrenzungen sind komplett sinnlos?

Petra Weiss: Gesellschaftliche Grenzen („das macht man nicht“, „das gehört sich nicht“) verlieren, je älter man wird, ihre Starrheit, allerdings eher im privaten Rahmen (im beruflichen Kontext kann das eher unseriös wirken). Ich bin gern albern, kann wie ein Kind staunen und pruste auch mal lauthals los – das hält jung und trainiert die Lachmuskeln. Körperliche und geistige Grenzen, die wir uns selbst setzen, indem wir unser Alter als Ausrede benutzen, um bestimmte Dinge nicht mehr zu tun oder tun zu müssen, wirken negativ, destruktiv, hemmend. Auch wenn es nicht ausbleibt, dass wir an unsere Grenzen stoßen, können wir versuchen, diese zu verschieben. Ich versuche das, denn ich möchte bis ins hohe Alter körperlich und geistig fit bleiben – lerne jetzt Italienisch. Völlig sinnlos aber sind Begrenzungen, die durch Kompromisse gesetzt werden, denn beiderseitige Verzicht macht am Ende niemanden wirklich glücklich. Noch so eine Erkenntnis…

VOLL50: Ist Glück mit voll50 leise oder laut?

Petra Weiss: Glück kommt ja in unterschiedlichem Gewand daher und hunderte kluger Köpfe haben versucht, es zu definieren. Für mich ist Glück, dass ich und alle um mich herum gesund sind, dass ich eine liebevolle Familie, gute Freunde und einen Job habe, der mir Spaß macht. Glücklich bin ich aber auch über einen gelungenen  Kuchen nach neuem Rezept, eine überstandene Krankheit, einen Zug, den ich gerade noch erwischt habe, oder eine gelungene Geburtstagsüberraschung. Mal sind es ganz kleine, mal größere, in der Mehrzahl aber ideelle Dinge, die ein Glücksgefühl in mir erzeugen. Jeder Mensch empfindet Glück auf seine eigene Art, ich eher leise – ich lächle und genieße.

VOLL50: Welche Art von Spannung sollte man loslassen?

Petra Weiss: Spannung im Sinne von auf etwas gespannt sein, Vorfreude oder Körperspannung sind auf jeden Fall immer gut und wertvoll für mein körperliches und geistiges Wohlbefinden. Was ich nicht brauche, sind Verspannungen, aber da können zum Beispiel gute gymnastische Übungen helfen… Die Frage zielt aber sicher auf Spannungen im Zwischenmenschlichen ab, in der Partnerschaft, in der Familie, zwischen Arbeitskollegen. Hier merke ich, dass ich mit zunehmendem Alter nachsichtiger (und auch weiser) werde und nicht mehr jedes Wort auf die Goldwaage lege. Warum soll ich mich aufreiben und meinen Standpunkt wieder und wieder verteidigen? Das kostet Kraft und bringt gar nichts. Eine meiner wichtigsten Erkenntnisse der letzten zehn Jahre lautet: Weg mit Energiedieben jeglicher Art! So sind auch schon Leute aus meinem Adressbüchlein verschwunden, die ich seitdem nicht eine Sekunde vermisst habe.

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