Wenn wir etwas mit voll50 wissen, dann das: Wir sind viele…Rollen. Susanne Erhardt spricht darüber, aber auch über die positive Rolle des Dramas im Leben und disziplinierte Eigenverantwortung.
VOLL50: Wie kann mit „voll50“ ein kreativer Umgang mit dem Leben aussehen?
Susanne Erhart: Ich denke, es ist hilfreich, wenn man sich über eines im Klaren ist: Nix – aber schon gar nix – is fix. Sich immer wieder überraschen lassen – durchaus auch von sich selber. Offen sein für das, was kommt. Im Heute leben und nix aufschieben. Gespannt & spannend bleiben. Mein Bestes geben und drauf vertrauen, dass es dann schon alles gut sein wird, so, wie es kommt. Oder, wenn es nicht so gut kommt, darauf vertrauen, dass man dann damit umgehen können wird. Sich belohnen, wo immer es geht (extrem wichtig!). Das Alter – diese ominöse, absolut nichtssagende Zahl – nicht als Maßstab und schon gar nicht als Ausrede sehen. Und ganz wichtig: In sich rein fühlen, welcher innere Anteil gerade gehört werden möchte. Und hey, da stecken ja dermaßen viele Facetten in uns großartigen Ü50erinnen: das Mädchen, die junge Frau, die erwachsene (schon fast weise) Frau. Ich persönlich hab dann noch ein Hippiemädchen, eine Unternehmerin, ein Cowgirl, eine Rockerbraut und eine Rebellin in mir drin – aber das ist eine andere Geschichte. Das ist meine Art kreativer Umgang mit dem Leben. Für mich klappt das ganz gut.
VOLL50: Wie gehen Liebe und Freiheit zusammen?
Susanne Erhart: Auch wenn´s manchmal so aussieht, als würden Nähe und Freiheit sich spießen – in einer perfekten Welt gehen die beiden nie ohne einander! Aber welche Welt ist schon immer perfekt. Das Nähe-Enge-Thema wird jedenfalls intensiver. Dem anderen seine Freiheit lassen – aber nicht auf Kosten der eigenen – das ist schon eine hohe Kunst. Irgendwie ist es – je nach Tagesverfassung – ein ständiger Spagat zwischen Nähe und Unabhängigkeit. Zwischen dem Bedürfnis nach Freiheit und dem Wunsch nach dem Zusammen-Altwerden. Dem Bedürfnis nach totaler Verschmelzung und dem nach dem Ausleben von individuellen Interessen. Mal klappt das besser, mal schlechter. Das ist schon okay so.
VOLL50: Wann hört mit „voll50“ die Lust aufs Drama auf?
Susanne Erhart: Mein erster Impuls beim Lesen der Frage? Na hoffentlich nie! Drama Baby!! Weil: Drama kann ja auch durchaus spannend sein– es gibt dem Leben Würze. Aber – und das war der zweite Impuls – ich würde mir die Dramen vielleicht nicht mehr gar so dramatisch wünschen. Wenn´s leicht geht … bitte. Wobei: Die meisten vermeintlich großen Dramen meines Lebens haben sich im Rückblick als unglaubliches Glück und auch als richtungsweisend erwiesen. Auch wenn das erst mal absolut nicht den Anschein hatte. Das Geheimnis ist, den Zeitraum der Rückschau – dem Drama angemessen – lang genug zu wählen. Manchmal braucht es halt auch durchaus ein paar Jahre, bis sich einem der Sinn erschließt. Aber dieses Wissen allein ist schon recht tröstlich, wie ich finde.
VOLL50: Braucht frau für Eigenverantwortlichkeit Disziplin? Und warum (nicht)?
Susanne Erhart: Eines meiner Lieblingsthemen! Ja, es braucht Disziplin. Und zwar jede Menge. Aber sie darf nicht dazu missbraucht werden, ständig über ungesunde Grenzen zu gehen und sich auszubeuten, sondern vielmehr dazu, im Gegenzug wieder herrliche Freiräume zu erschaffen.
Aber auch in anderer Hinsicht beschäftigt mich das Thema Disziplin gerade. Es hat mit der Disziplin meiner Gedanken zu tun. Ich habe mir angewöhnt, immer mehr zu hinterfragen, welche meiner Gedanken förderlich und gut sind. Für mich, aber auch für andere. Das erfordert richtig viel Disziplin – und Ehrlichkeit! Wir denken ja gerne immer wieder mal Dinge, die uns oder auch anderen um uns herum nicht gerecht werden, nicht gut tun, und die uns auch absolut nicht weiter bringen. Auch diese Gedanken-Disziplin gehört für mich zur Eigenverantwortlichkeit. Ich bin darin noch lange nicht perfekt, aber allein die Auseinandersetzung mit diesem Thema verändert meinen Blick auf die Dinge. Macht ihn und somit mich gelassener und mein Urteil milder. Und das schadet keineswegs.
VOLL50: Welches Spiel sollte frau mit „voll50“ auf jeden Fall beherrschen?
Susanne Erhart: Wie war das? „Menschen hören nicht auf zu spielen, weil sie alt werden, sie werden alt, weil sie aufhören zu spielen“.(Oliver Wendell Holmes) Das sagt eigentlich schon alles. Und das kommt mir sehr entgegen, weil das Spielerische aus meinem Leben nicht wegzudenken ist. Es gibt meinem Alltag die erforderliche Leichtigkeit, hilft, die Dinge von ganz vielen Seiten zu betrachten und bringt mich auf manch kreative, durchaus auch unkonventionelle Lösungsidee. Welches Spiel konkret? Das bleibt dann jeder von uns selbst überlassen. Nur aufhören sollte man damit nie.