Zu wissen, wann Disziplin und Diplomatie Pause machen können, bestimmt den eigenen „Voll50“-Takt, sagt Elisabeth Biechl. Weil sie nichts mehr muss, sondern kann.
VOLL50: Wie viele Wiedergeburten hat man mit voll50 gefühlt hinter sich?
Elisabeth Biechl: Immer, wenn ein neuer Lebensabschnitt beginnt, ist das so eine Art Wiedergeburt – das Leben geht mit geänderten Vorzeichen weiter – auf zu neuen Ufern und die Erfahrungen der vergangenen Jahre hat man immer mit dabei und kann und soll diese positiv nutzen – das Leben haben, das uns geschenkt wurde und es in Fülle haben – für mich ist auch der christliche Glaube eine große Stütze und ist auch Leit- und Handlungslinie in meinem Leben.
VOLL50: Was haben Initiative und Intuition gemeinsam?
Elisabeth Biechl: Aus der Intuition – ich definiere das für mich mit dem Bauchgefühl – entstehen viele Initiativen, wenn man darauf hört. Ich würde fast sagen, dass sich das sehr oft gegenseitig bedingt. Diese beiden haben also für mich sehr viel gemeinsam.
VOLL50: Wann darf man mit voll50 undiplomatisch sein?
Elisabeth Biechl: Immer dann, wenn frau danach ist und wenn sie das Gefühl hat, ihre Stimme erheben zu müssen – in allen Lebensbereichen. Undiplomatisch sein wird ja auch oft damit gleichgesetzt, einfach zu sagen, was Sache ist und man eben keine schönen Umschreibungen verwendet. Handlungsmaxime hier ist für mich jedoch immer auch, auf der sachlichen Ebene zu bleiben und die Menschenwürde immer zu achten.
VOLL50: Wie sieht deine persönliche Eremitage aus?
Elisabeth Biechl: Ein kleines, einfaches Häuschen, unbedingt am Meer in südlichen Gefilden (mit Temperaturen, die einer Mitteleuropäerin noch zuträglich sind). Sollte ein Kraftplatz sein. Viele Bücher, einfaches Leben, nur auf das Notwendigste beschränkt. Der Fokus liegt auf dem „Sein“ und nicht auf dem „Haben“ (gemäß Erich Fromm). Die Lebensfülle ist für mich eine innere, seelische Fülle, aus dieser speist sich auch die Lebensfreude, die Zufriedenheit, die Zuversicht, der Mut, die Liebe. Menschen können mich in meiner Eremitage besuchen, um Gespräche über das Leben zu führen.
VOLL50: Darf die Disziplin mit voll50 auch einmal Pause machen?
Elisabeth Biechl: Ja und zwar immer dann, wenn frau es will – mit voll50 muss ich keinen Konventionen mehr entsprechen. Ich lebe aus meiner Mitte heraus und weiß, was mir gut tut – das kann eben manchmal Disziplin sein und manchmal eben die Pause von der Disziplin – auch hier wieder egal, welchen Lebensbereich es betrifft – mit dem Alter ist bei mir auch eine gewisse Gelassenheit eingekehrt und auch eine Leichtigkeit des Seins. Ich „muss“ nicht mehr, ich „kann“, ich selbst bestimme den Takt meines Lebens und eben unter anderem auch, wann ich diszipliniert sein will beziehungsweise handeln will. Es gibt ja zum Beispiel oft nichts Schöneres als ein gutes, kalorienreiches Essen im Kreis der Familie und Freunde – da ist ein Kilo mehr oder weniger auf der Waage nicht das entscheidende.
Foto © Bernhard Müller