Wenn es nach Monika Krautgartner geht, ist Willenlosigkeit keine wünschenswerte Strategie. Vielmehr bestimmt Leidenschaft, Kompetenz und Fokus ihr Leben.
VOLL50: Welche Leidenschaft schafft mit voll50 keine Leiden?
Monika Krautgartner: Dinge, die ich mit Leidenschaft mache, machen mich auch glücklich, ergo verursachen sie keinen Leidensdruck, sondern Glückseligkeit und Euphorie. Natürlich zeigt mir mein Körper andere Grenzen auf, als es ein jüngeres Model tun würde. Doch meinen Leidenschaften fröne ich nach wie vor aus ganzem Herzen, sonst wären es ja auch keine Leidenschaften, sondern bestenfalls liebenswerte, lauwarm praktizierte Hobbys.
VOLL50: Wann ist Willenlosigkeit erlaubt, vielleicht sogar erwünscht?
Monika Krautgartner: Ich kann mir gar nicht vorstellen, meinen (doch recht ausgeprägten) festen Willen auszuschalten oder mich treiben zu lassen. Willenlosigkeit setze ich mit der Vorstellung gleich, dass jemand anderer das Ruder in Händen hält und „seinen Willen durchsetzt“. Das ist bei Gott keine sehr wünschenswerte Lebensführungsstrategie für mich. Ich liebe das Gefühl, die Herrin meines Geschickes zu sein, wohl wissend, dass manche Ereignisse außerhalb meines Einflussbereiches und auch „beim besten Willen“ nicht machbar sind. Aber: probieren tu’ ich’s immer. Ich habe es gern, wenn es nach meinem Willen läuft, um der Schönheit willen, um des Lebens willen, um meinetwillen.
VOLL50: Welche Kompetenzen werden mit voll50 weniger wichtig?
Monika Krautgartner: Mir scheinen alle jemals erworbenen Kompetenzen bedeutend und wichtig, vielleicht ist das Ergebnis allen erworbenen Wissens und aller erlernter Fähigkeiten die Basis für die vielzitierte gelassene Altersweisheit (die entdecke ich allerdings leider noch nicht an mir). Wer weiß? Ich genieße es, was zu können, was zu tun, was zu sein, wofür ich geackert habe. Für mich sollte die Frage eher „Welche Kompetenzen werden mit voll50 wichtiger?“ heißen, denn in meiner derzeitigen Lebensphase gibt es aufregende neue Dinge, ungeahnte Betätigungsfelder und überraschende familiäre Aspekte in den bestehenden Alltag zu integrieren.
VOLL50: An welcher Stelle muss man über Gefühle sprechen, an welcher sollte man sie verschweigen?
Monika Krautgartner: Ich habe gelernt, mit meinem Mann über meine Gefühle zu sprechen. Allerdings, das gebe ich gerne zu, bin ich kein Vorzeigemodel in Sachen emotionale Transparenz und Gesprächsbereitschaft zum Thema „Ich, mein Herz, meine Seele“. Ich habe immer das Gefühl, über meine Nöte und Sorgen mit jemandem zu sprechen, macht mich klein, verwundbar und schwach. Das möchte ich niemals sein, und es würde auch, glaube ich, niemandem in den Sinn kommen, mich so zu beschreiben. Ich finde es prinzipiell gut, nicht jedermann(frau) die eigene Gefühlswelt auf die Nase zu binden, zumal kein Satz, der je gesprochen wurde, wieder eingefangen werden kann und dem Gegenüber in Erinnerung bleibt. Das mag ich nicht. Mein Innenleben schlummert in einem tiefen, dunklen Nestchen am Boden meines Herzens und dort ist es gut aufgehoben.
VOLL50: Kämpft man mit voll50 noch um Kontrolle oder lernt man langsam, sie loszulassen?
Monika Krautgartner: Eines Tages werde ich meine Seele freigeben, das Leben loslassen, und beides in Gottes gütige Hand legen. Das wird sein, wenn ich sterbe. Ich vertraue darauf, dann aufgefangen zu werden, ich bin sehr gläubig. Bis dahin allerdings behalte ich (sofern mir meine geistige Gesundheit keinen Streich spielt) die Kontrolle über alle meine Lebensbelange. Dass ich um Kontrolle „kämpfe“, wie in der Eingangsfrage formuliert, stimmt allerdings nicht. Ich habe von jeher die Kontrolle über mein Leben, dessen bin ich mir bewusst und das mag ich, und muss nicht um sie kämpfen. Niemand kann sie mir streitig machen.