Von der Selbstreflexion zum Selbstgespräch

Anzuerkennen, wie kreativ wir bereits im Alltag sind, ist für Susanne Perner wichtig. Genauso wie das Selbstgespräch, deren Vorteile sie absolut auf den Punkt bringt.

VOLL50: Wann wird Vielfalt realitätsfremd?

Susanne Perner: Vielfalt ist mir wichtig. Je älter ich werde, desto mehr erkenne ich sie. Und ich bin Anhängerin des Gender-Sternchens. Mit Freude sehe ich, wie oft es in meinem Umfeld genutzt wird, und mit fragendem Blick höre ich zu, wenn es von einigen ironisch bewertet und daher bewusst nicht genutzt wird. Leider aber erkenne auch ich Vielfalt nicht immer in ihrer Vielfältigkeit. So wird sie für mich „realitätsfremd“, wenn ich nicht mehr weiß, ob ich nicht jemanden ungewollt ausgelassen habe.

VOLL50: Wo hört mit voll50 die Fröhlichkeit auf und wird zur Ungeduld?

Susanne Perner: Bei mir setzt die Ungeduld ein, wenn ich sehe, wie wenig Mitmenschen ihre Meinung auch einmal in Frage stellen. Zum Glück handelt es sich häufig um jüngere Mitmenschen, so dass sich dann wieder Fröhlichkeit über meine erreichte Reife einstellen kann.

VOLL50: Wie viel Selbstüberwindung braucht frau, um in ihre Kreativität zu kommen?

Susanne Perner: Frau braucht vor allem die Erkenntnis, wie oft sie im Alltag bereits Kreativität walten lässt. Ganz ohne Selbstüberwindung. Mir würde oft helfen, das besser zu sehen und anzuerkennen.

VOLL50: Wann sind mit voll50 Selbstgespräche wertvoller als der austausch mit einem gegenüber?

Susanne Perner: Selbstgespräche haben für mich etwas Therapeutisches. Das besonders Wertvolle am Selbstgespräch ist, dass ich dazu keine Verabredung treffen muss – ich bin ja immer für mich da. Und meine Selbstgespräche zu komplexeren Gefühlsthemen haben einen großen Vorteil: Ich habe bereits alle relevanten Informationen, muss also niemandem langmächtig erklären, worum es geht.

VOLL50: Warum kann Selbstreflexion manchmal einsam machen?

Susanne Perner: Darüber hatte ich noch nicht nachgedacht, aber es ist tatsächlich so: Menschen, die selbstreflektierter sind als ich, strahlen eine gewisse Autarkie aus. Anders als ich stellen sie regelmäßig sicher, dass sie mit sich „im Reinen“ sind. Über den Zusammenhang zwischen Autarkie und Einsamkeit muss ich nochmal stärker nachdenken. Demnächst. Am besten in einem Selbstgespräch.

Wechseljahre aus der Tabuzone holen

Sich mit einem breiten Lächeln zur dieser wechselvollen Phase eines Frauenlebens zu bekennen, schenkt Gelassenheit und kann sogar die nächste Hitzewallung verhindern. Hildegard Aman-Habacht weiß, wovon sie spricht.

VOLL50: Wie lässt sich ein offenes Herz und Verletzlichkeit verbinden?

Hildegard Aman-Habacht: Verletzlichkeit offenbart unsere Fehler, bringt uns in Verbindung mit unseren Ängsten und macht uns zu dem, was wir sind: zu Menschen. Menschlich zu sein heißt, verwundbar zu sein und öffnet Herzen. Emotionen, Gefühle und unser tiefstes inneres Sein kommen dabei zu Tage und zeigen unser wahres Ich. Damit können wir die Selbstlüge beenden, die wir vielleicht viele Jahre mit uns getragen haben. Damit können wir zu unseren Ängsten stehen, „Ja“ sagen zu unseren Zweifeln, uns selbst voller Ehrlichkeit begegnen, Neues entdecken, Balance finden und mehr und mehr bei uns selbst ankommen.

Verwundbarkeit im Außen zu zeigen, kann jedoch auch auf Unverständnis stoßen. Menschen werden in ihren eigenen Unzulänglichkeiten getriggert, zwanghaft Unterdrücktes kommt möglicherweise unkontrolliert hoch und entlädt sich explosiv. Jetzt heißt es noch mehr das Herz zu öffnen, indem wir das Gegenüber annehmen, wie es ist, ihm Liebe und Mitgefühl entgegenbringen.

Ein offenes Herz und Verletzlichkeit haben in unserer Welt wenig Platz und damit verbunden Mitgefühl, Einfühlsamkeit, Ehrlichkeit und Liebe. Doch ist es nicht gerade das, was Frau in den Wechseljahren benötigt? Um den Wechseljahren zu begegnen und all die Facetten der Millionen Farben des Wesens der Wechseljahre zu leben, darf Frau sich zunächst einmal verwundbar zeigen, indem sie sich ihre Wechseljahre eingesteht, sie aus der Tabuzone holt, indem sie öffentlich darüber spricht und sich zum nächsten Schweißausbruch voller Ehrlichkeit, mit einem breiten Grinsen bekennt. Nicht (mehr) perfekt zu sein, ist die verwundbare Seite für viele Frauen in den Wechseljahren. Doch sind es nicht gerade die Wechseljahre, die uns einladen, wieder bei uns anzukommen, nach vielen Jahren des Kümmerns um andere? Sind es nicht gerade die Wechseljahre, die uns auffordern unsere Träume und Visionen zu leben? Ja! Sie triggern es geradezu. Geben wir dem Begehren unseres Herzens nicht nach, stehen wir nicht zu uns und unseren Unzulänglichkeiten und zeigen uns damit weder verletzlich, noch verwundbar, rächen sie sich mit Hitzewallungen, Schlafstörungen & Co. Ein offenes Herz und Verletzlichkeit ist wie „Liebe ohne Kontrolle und Zwang“.

VOLL50: Wieviel Stabilität braucht frau mit voll50 für ihre Unabhängigkeit?

Hildegard Aman-Habacht: Unabhängigkeit zu leben braucht Mut, um die Komfortzone zu verlassen. Es braucht eine Menge an Vertrauen, Disziplin und Konsequenz. Unabhängig zu sein, neue Wege zu gehen, Visionen und Träume zu leben, bringt immer Instabilität ins Leben. Alles beginnt zu wanken, vieles gerät aus den Fugen. Doch die Wurzeln und die Selbstverständlichkeit zum Leben lassen auch den stärksten Baum im Sturm stabil im Boden verankert bleiben. In der Stabilität können wir unseren Selbstwert erkennen. Bei vielen Frauen ist dieser gerade in Wechseljahren nahezu abhanden gekommen. Sie meinen, nichts mehr zu taugen, zum alten Eisen zu gehören. Sie betrachten sich als ausrangiert und erkennen nicht, was sie in all den Jahren an Fähigkeiten, an Erkenntnissen und Erfahrung angesammelt haben. Die Frau Voll50 darf sich ihrer Weisheit bewusst werden und diese in vollen Zügen leben. Nur so kann sie ihr Wissen auf Schiene bringen und die ganze Welt daran teilhaben lassen. Selbst wenn die Stabilität zeitweise aus den Fugen zu geraten droht, es ist nur eine neue Ausrichtung, eine Umorientierung, das Entdecken der Einzigartigkeit. Mit offenem Herzen durch die Welt zu gehen und sich verletzlich zu zeigen, stärkt unsere Wurzeln, stärkt unseren Selbstwert und damit unsere Stabilität. Verständnis für den neuen Weg wird uns entgegengebracht und wir können unsere neue Unabhängigkeit mit viel Mut und Vertrauen erobern. Fehler werden akzeptiert, Umorientierung respektiert. Es geht darum „Die Verantwortung für das eigene Glück zu übernehmen“.

VOLL50: Wo verläuft die Grenze zwischen Lieben und Aufopfern?

Hildegard Aman-Habacht: Sich aus Liebe aufzuopfern, ist unbewusst an Bedingungen geknüpft. Wir wollen doch alle geliebt werden, am liebsten so, wie wir sind. Das veranlasst uns dazu, Dinge zu tun, die wir eigentlich gar nicht tun wollen. Ganz tief in unserem Inneren schwingt die Sorge mit, dass wir möglicherweise nicht mehr geliebt werden, dass wir abgelehnt werden, wenn wir den Liebsten nicht unter die Arme greifen. Sich aus Liebe aufzuopfern beruht immer auf Ängsten. Es ist keine wertfreie Liebe, sondern an eine Bedingung geknüpft: „Wenn,… dann… hast du mich lieb, nimmst mich an, …!“

Zu lieben, aus Liebe etwas zu tun oder nicht zu tun, ist eng an Dankbarkeit, Demut, Selbstakzeptanz und Mut gekoppelt, ohne Regeln und ohne Bedingungen.

Um die Grenze zwischen einem wirklichen Liebesdienst und einer Aufopferung zu finden, bedarf es, diese bewusst gesetzten Bedingungen an die Liebe zu hinterfragen. Um wirklich frei unseren Weg durch die Wechseljahre zu gehen, dürfen wir all diese Begrenzungen loslassen, alle Regeln für die Liebe umstoßen und Liebe einfach fließen lassen.

Das geschieht jedoch erst, wenn wir uns selbst so annehmen können, wie wir sind, zu unseren Entscheidungen stehen, ohne Wenn und Aber, dankbar sind für das was ist, den Mut haben uns verletzlich zu zeigen, unsere eigenen Ängste annehmen und vieles mehr.

Und damit bedingt die Liebe das Ende des Kämpfens, ein Ende der Widerstände und der Opferhaltung. Die Grenze verläuft dort, wo es „frei fließt“, offen – ehrlich – direkt!

VOLL50: Wie fängt frau mit voll50 ihren kreativen Geist ein?

Hildegard Aman-Habacht: Der Ausdruck der eigenen Bedürfnisse und Wünsche, gepaart mit einem authentischen Leben voller Leidenschaft, bringt der Frau in den Wechseljahren ihre Kreativität näher. Dazu bedarf es die Rollen, die nicht mehr zu ihr passen, jeden Tag etwas mehr zu entdecken, und sie mehr und mehr loszulassen.

Oft sind wir Frauen Voll50 zugemüllt mit Selbstkritik und Wutemotionen, Unausgesprochenem die uns Kraft, Energie und den Zugang zu unserer Kreativität rauben. Reflexion, Arbeit an sich selbst, Weiterentwicklung, Öffnung für spirituelle Ansätze bringen uns wieder in Verbindung mit unserer Einzigartigkeit, unserem Potential, unseren Fähigkeiten und unserer Leidenschaft.

Dann ist es Zeit sich Raum zu nehmen, um den Träumen und Ideen Gestalt und Ausdruck zu verleihen. Doch auch dazu braucht es Mut, denn es zieht oft eklatante Veränderungen mit sich. Der kreative Geist der Wechseljahre schenkt der Frau Voll50 all die Energie, die Kraft und das Vertrauen die es für diesen wichtigen Schritt braucht.

VOLL50: Was ist die Sonnenseite von Resignation?

Hildegard Aman-Habacht: Resignation führt uns tief hinab in die dunkelste Ecke unserer Seele. Traurigkeit, Melancholie, Frustration und vielleicht auch ein bisschen Wut formieren sich. Viele Frauen in den Wechseljahren leiden, im wahrsten Sinn des Wortes unter Depression und Resignation. Tagelang verschanzen sie sich in ihrer Einsamkeit, ihrer Schwermut und ihrem Weltschmerz. Schaffen sie es jedoch, diese Qualität für sich zu nützen, so schöpfen sie schlussendlich genau daraus die Energie, um wie der Phönix aus der Asche wieder aufzuerstehen. Frau Voll50 kann aus Resignation eine enorme Kraft mitnehmen, um tief in ihre Kreativität einzutauchen und Inspirationen, Visionen und Ideen für einen Neustart hervorzubringen. Es ist tatsächlich eine Veredelung, für die frau zuerst tief in sich gehen darf, bis an die Grenzen ihrer Seele.

www.meine-wechseljahre.com

„Gelassen, ohne dabei aggressiv zu werden“

Undiplomatisch nimmt sich Doris Wild die Freiheit, die sie braucht. Und geht ihren Weg mit viel Visionskraft, die sie aus dem Spielplatz Welt zieht.

VOLL50: Sind Frauen in unserem Alter gesellschaftliche Außenseiter?

Doris Wild: Die Frage gefällt mir. Schnell beantwortet „ja“, weil Du nirgends mehr wirklich dabei bist. Im Job tut man sich echt schwer, obwohl es momentan leichter ist, weil die Arbeitgeber jeden nehmen. Ein Beispiel: Während der Corona-Zeit habe ich mir überlegt, was ich tun könnte, weil alles, was ich kann, nicht mehr gefragt war. Ich habe Gerüstbau immer schon cool gefunden und zu meinem Freund gesagt, dass ich bei einem Unternehmen anfragen könnte. Da meinte er: „Du spinnst! Die nehmen bestimmt keine 50jährigen und schon gar keine Frau.“ Im Grunde erfülle ich aber alle Bedingungen. Ich habe Kondition, bin sportlich, kann gut klettern, habe keine Höhenangst. Und ich finde es lustig. Trotzdem habe ich mir gedacht, dass es nicht sein kann, dass man aufgrund des Alters und des Geschlechts aussortiert wird. Und an eine Supermarktkasse wollte ich mich wirklich nicht setzen, denn das wäre eine der wenigen Möglichkeiten gewesen. Die Idee habe ich aber dann aufgrund von ein, zwei Jobs in meiner Domäne fallengelassen. Aber vielleicht kriege ich ja einmal das Angebot, Gerüstbau einen Tag lang ausprobieren zu können.

Privat erlebe ich das nicht, weil ich einen festen Freund habe. Ich bin ja quasi nicht auf der Suche und muss nichts suchen, um nichts buhlen muss. Ich erlebe das Außenseitertum nur beruflich.

VOLL50: Wie kann frau mit voll50 empathisch sagen, dass man seine Freiheit braucht?

Doris Wild: Das ist nicht altersabhängig. Dass ich meine Freiheit brauche, habe ich immer und in jeder Sekunde gesagt. Ich brauche ganz, ganz, ganz viel Freiheit. Und alle rings um mich herum leiden darunter, aber ich nehme sie mir trotzdem. Ich mache mir keine Gedanken, wie ich das empathisch sagen könnte, sondern tue es einfach. Das war immer schon so. Ich renne jeden Tag gegen die Mauer wie früher, ich ecke jeden Tag an wie früher und bin genauso undiplomatisch wie früher. Das einzige, was sich verändert hat: Heute weiß ich, dass es unklug ist, und damals habe ich mir nichts dabei gedacht. Und obwohl ich mir etwas dabei denke, tue ich es trotzdem.

VOLL50: Was kann man einem Sturm der Emotionen entgegensetzen?

Doris Wild: Zurücklehnen, nicht ankommen lassen bei einem selbst. Das hat sich mit zunehmendem Alter gebessert. Wenn jemand völlig aufgelöst auf mich zukommt oder mich in den ärgsten Tönen beschimpft, wäre ich früher sofort eingestiegen und hätte dagegen gehalten. Jetzt schaffe ich es meistens schon, dass ich mich zurücklege und mir denke, dass es nicht so schlimm ist. Eigentlich berührt es mich gar nicht mehr so. Und ich selber kann man auch nicht mehr so in Dinge hineinsteigern wie früher. Also in die negativen. In die positiven Dinge kann ich das nach wie vor. Ich weiß nicht, ob ich da klüger geworden bin. Auf jeden Fall fühle ich mich nicht mehr so schnell angegriffen. Ich war ja früher extrem agressiv und streitsüchtig und habe jeden bildlich gesprochen gleich gebissen, der mir mit leichten Emotionen kam. Jetzt überlebt das Gegenüber. Ich sehe es gelassener, obwohl ich dieses Wort früher gehasst habe. Ich kann mich noch an ein Gelassenheitstraining erinnern und allein dieser Titel hat mich auf die Palme gebracht. Damals habe ich mir gedacht: „Das will ich nicht, das brauche ich nicht, so will ich nie werden.“ Für mich war es damals das Schlimmste, wenn man nichts mehr spürt, keine Gefühle zurückgeben kann. Und jetzt bin würde ich sagen, dass ich gelassener bin. Und ich kann dieses Wort sogar schon aussprechen, ohne dass ich aggressiv werde.

VOLL50: Wie verändern sich mit voll50 die eigenen Visionen?

Doris Wild: Sie verändern sich bei mir im Rhythmus von ungefähr fünf Jahren. Ich habe immer andere Ziele, andere Visionen. Die Grundvisionen und Träume sind immer die gleichen. Manches ist abgehakt, wie gewissen Urlaubsziele oder Jobs. Fernsehredakteurin zu sein, brauche ich nicht. Gehabt, erledigt, danke. Ich habe immer noch eine Million Visionen und Ziele, die ich erreichen möchte. Dafür muss ich sicher noch 200 Jahre leben, um sie umzusetzen. Und jedes Jahr kommen zehn neue Dinge dazu, von denen ich glaube, sie machen zu müssen. Und vieles davon hatte auch mein jüngeres Ich schon, vielleicht nicht zu klar und deutlich, aber doch. Bei mir läuft das Leben total stringent. Wenn ich mich daran erinnere, was ich als Fünfjährige gedacht und getan habe, hat sich das bereits abgezeichnet. Was aus mir wird, wie es wird, was meine Ziele sind, war von der ersten Sekunde an klar, auch wenn es nicht wirklich wahrgenommen und ernst genommen wurde. Und ich selbst habe es bis 20 noch gar nicht gecheckt, dass es so läuft. Damals habe ich mich noch viel zu sehr beeinflussen lassen. Das gibt es jetzt nicht mehr. Da kann jeder sagen, dass es Scheiße ist, dass ich es nicht kann – ist mir wurscht und mache es trotzdem. Und das gilt auch für „Dafür bist Du zu alt.“ Ab 50 wird es dann ganz schlimm. Aber solange ich Spaß bei etwas habe, mache ich’s einfach.

Es ist eine Frage der Zielgruppe, weil ja die anderen immer schubladisieren. Ich bin ja nicht die typische 50jährige, visuell sowieso nicht und von den Interessen nur bedingt. Was macht man mit so einer 50jährigen? Die Werbezielgruppe geht bis 49, und ich bin eigentlich genau die typische Vertreterin dieser Zielgruppe, der ich altersmäßig nicht mehr entspreche. Das war für mich ein Frust, dass ich irgendwann einmal nicht mehr zu meiner Zielgruppe gehört habe. Ausrangiert.

Insofern kann einfach keine Schublade dafür geöffnet werden. Meine Vision ist, dass meine Schublade trotzdem geöffnet wird, weil andere auch erkennen, die ähnlich ticken, dass wir etwas tun müssen, um gesehen zu bleiben.

VOLL50: Was stärkt die Lust auf Abenteuer?

Doris Wild: Phantasie, Kreativität, jeden Tag Inputs von anderen, die mich inspirieren. Dinge, die ich wahrnehme. Bei mir ist die ganze Welt ein großer Spielplatz. Abenteuer ist da, man muss es nur aufheben. Aber anfangen sollte man damit früh. Wenn ich Mütter auf Spielplätzen beobachte, schauen sie ihren Kindern beim Spielen zu. Besser wäre, sie würden mit ihren Kindern spielen. Dieses Mitspielen darf man sich nicht austreiben lassen. Das ist bei ganz vielen Menschen aktuell das Problem. Dass sie sich komisch vorkommen, wenn sie Dinge spielerisch erarbeiten sollen oder an sie spielerisch herangehen sollen.

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„Werde oft von meiner Unberechenbarkeit überrumpelt“

Man hat nichts zu verlieren, wenn man mit voll50 Mut beweist. Eines allerdings sollte man keinesfalls tun: Gleichgültigkeit zur Tugend erheben, sagt Angelina Pucher.

VOLL50: Wann schließt es sich nicht aus, unberechenbar und gleichzeitig planungsfähig zu sein?

Angelina Pucher: Ein freier Mensch ist für andere immer unberechenbar und fast eine Zumutung. Die Natur ist immer unberechenbar und doch gleichzeitig planungsfähig. Irgendwann kommt der Frühling, der Sommer, der Herbst und der Winter. Planbar, dass die Bäume im Frühling blühen, um im Herbst Früchte zu tragen. Unberechenbar das Wetter, das Blüten erfrieren oder erblühen lässt…. Ich selbst werde oft von meiner Unberechenbarkeit überrumpelt. Aber wenn Kinder oder Tiere oder manche Menschen mich brauchen, so bin ich voll planungsfähig und bleibe dennoch unberechenbar, weil es viele Möglichkeiten gibt, eine Aufgabe zu lösen, wenn man sich die Freiheit erlaubt, schnell auf die Situation zu reagieren und zu handeln, mit bestem Wissen und Gewissen.

VOLL50: Wie hoch darf der Mut fliegen mit Voll 50 ?

Angelina Pucher: Sehr hoch, denn was hat man zu verlieren? Mit Mut kann nur gewonnen werden. Der Mut sich selbst zu sein, mit graumelierten Strähnen, ein paar Pfunden zu viel auf den Rippen, einer Zahnlücke, ungeputzen Fenstern, weil anderes wichtiger ist, den Mut zu seinen „Fehlern“ zu stehen. Den Mut zu tun, was gerade für einen richtig ist, den Mut zu sagen, was man denkt – auch wenn man dadurch zum Außenseiter wird und angekreidet. Zivilcourage zu zeigen ist ebenso Mut, wie vehement für eine Sache eintreten, bis sie durchgeboxt ist. Es gehört auch Mut dazu, deutlich Nein zu sagen und zu seinem Standpunkt zu stehen.

VOLL50: Kann Gleichgültigkeit zur Tugend werden?

Angelina Pucher: Gleichgültigkeit darf nie zur Tugend werden. Menschen, die einem anderen gleichgültig sind, sind ja fast schon wie gestorben. Und der Mensch, dem alles gleichgültig ist, ist in meinen Augen ein sehr armer Mensch, der sich nicht mehr berühren lässt, im Innen und im Außen. Gelassenheit kann zur Tugend werden, aber niemals Gleichgültigkeit.

VOLL50: Fällt Anpassungsfähigkeit mit Voll 50 leichter oder schwerer?

Angelina Pucher: Anpassungsfähigkeit an die Rhythmen der Natur sind mir immer leicht gefallen, weil ich dadurch ein Teil eines Ganzen bin. Anpassungsfähigkeit an ein Gesellschaftsbild, um zu entsprechen, wie „man“ mich haben will, ist mir nie wirklich gelungen. Wenn ich es versucht habe, so habe ich mich schnell verloren und so manche Krankheit hat mich dann auf meinen Weg zurück geführt. Für mich als Menschen mit „Eigensinn“ war und ist Anpassungsfähigkeit an die Normen einer Gesellschaft immer schwer und wird mit Voll 50 definitiv nicht leichter. Muss ich aber auch nicht!

VOLL50: Worauf lohnt es sich zu warten?

Angelina Pucher: Warten hört sich ein bisschen an wie vertane Zeit. Wenn ich irgendwo warten muss, dann hab ich immer ein Buch dabei zum Schreiben oder Lesen. Aber es lohnt sich für mich, mich freudig erwartend in die Zeit zu träumen, wo meine Bücher verlegt werden und ich Geld mit dem Schreiben verdienen kann, ohne dabei meine Freiheit und heilige Ruhe in meinen geliebten Bergen zu verlieren. Und ich harre erwartungsfroh dem Tag entgegen, wo sich ein Regisseur findet, um das Leben der magersüchtigen angepassten Schülerin, Studentin, wild entschlossenen Freiheitskämpferin, Umweltschützerin, Auswanderin, der genesenen Sennerin, Mutter, Vollblutbäuerin, Autorin, Fotografin, Tänzerin, Krebspatientin, Ehebrecherin, Großmutter, Jägerin, …….. zu verfilmen.

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