„Immer wieder phänomenal“

Auf Weltreise gehen, die Vergangenheit loslassen und Langsamkeit zelebrieren – Wünsche und Weisheit begleiten Alexandra Gundolf in ihre Zukunft.

VOLL50: Welche Facette Deines Voll50-Lebens magst du am liebsten?

ALEXANDRA GUNDOLF: Endlich wieder mehr Momente und Situationen zu haben, in denen ich spontan etwas ‚tun und lassen‘ kann, ohne gleich ein schlechtes Gewissen zu haben oder zwangsweise durch einen Termin nach dem anderen und gewissen Verpflichtungen eingeschränkt zu sein. Verantwortung wieder abzugeben, sowohl aus finanzieller als auch aus personeller Sichtweise. 

VOLL50: Falls Du Dich mal verzettelst: Was steht auf diesen Zetteln?

ALEXANDRA GUNDOLF: Arbeit, Arbeit, Arbeit! Aber zum Glück nehme ich mir immer wieder mehr Freiheiten und auf meinen Zetteln werden dann Träume und Pläne aufgeschrieben, die ich natürlich vorhabe, alle nochmal umzusetzen. Zum Beispiel mein größter Wunsch, nochmal auf Weltreise zu gehen, das Gefühl der Freiheit wieder zu spüren, ohne Zeitdruck, planlos von einem Ort zum anderen, an besonders schönen Orten länger verweilen, an anderen nur durch zu stöbern, neue Erfahrungen zu machen, immer wieder Neues entdecken, die Vielfalt von Land und Leuten erkunden und einfach nur zu leben.

VOLL50: Darf man mit Voll50 auch einmal eine Dramaqueen sein?

ALEXANDRA GUNDOLF: Man darf, aber was bringt es? Je mehr man Dinge dramatisiert und je mehr man sich hineinsteigert, umso gravierender werden sie meistens. Manchmal muss man bestimmte Dinge einfach loslassen können, und das gelingt mir mit all meinen erfahrungsreichen Jahren am Rücken von Jahr zu Jahr besser. Aber vielleicht machen das auch meine vielen Aufenthalte in Afrika und die dortige Lebensweise, mehr Gelassenheit, mehr Geduld, da kann man Dinge nicht so einfach von heute auf morgen ändern. Alles verläuft einen Schritt langsamer. Am Anfang hat mich das wahnsinnig gemacht, aber mittlerweile verstehe ich es viel besser und schöpfe die Vorteile daraus.

VOLL50: In welchen Bereichen Deines Lebens regiert die Freiheit?

ALEXANDRA GUNDOLF: Miteinander zu leben und jeden zu akzeptieren, so wie er/sie ist. Was für mich schlecht ist, kann für Dich gut sein, ohne Vorurteile annehmen, was auf uns zu kommt. Vieles verstehen wir erst viel später, daher im ‚Heute‘ leben und genießen, denn das Vergangene können wir nicht mehr ändern und wer weiß, was die Zukunft noch so alles bringt. Freiheit ist nicht nur räumlich beschränkt, sondern auch in den Gedanken verankert. Ich fühle mich besonders frei, wenn ich die Natur und das Leben so annehmen kann, wie es geschaffen wurde. Jeder hat seine eigenen Energie- und Kraftquellen, die ich zu nutzen versuche. Es muss nicht immer alles verändert und zurechtgerückt werden. Nimm es, wie es ist und versuch, das Beste daraus zu machen, für mich, meine Mitmenschen und mein Umfeld – mein Lebensmotto mit voll 50.

VOLL50: Woran sollte eine Voll50-Frau ihr Herz nicht hängen?

ALEXANDRA GUNDOLF: An die Vergangenheit, obwohl das nicht immer funktioniert. Ich erwische mich immer wieder bei Gedanken und Fragen, hätte ich das besser oder anders machen sollen, aber was vorbei ist, ist vorbei. Manchmal trifft man Entscheidungen und zweifelt, muss sich dann aber doch für eine entscheiden. Jahre später oder oft auch nur, wenn die Umstände ein klein wenig anders wären, würde man vielleicht anders entscheiden, aber wir haben ja hoffentlich noch viel, viel Zeit das herauszufinden. Abwechslungsreiche Jahre haben mir viele Erfahrungen gebracht, obwohl ich zwischendurch auch immer wieder auf einiges verzichten musste, aber so ist das Leben, je bunter – je schöner! Und man ist nie zu alt, nochmal neu durchzustarten. Herausforderungen machen das Leben erst so richtig interessant und immer wieder phänomenal.

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„Keine Angst vor Langeweile“

Renata Eisen-Schatz liebt ihre Unabhängigkeit und Freiheit. Die künstliche Distanzierung zwischen den Menschen macht ihr zu schaffen.

VOLL50: Was empfindest Du mit Voll50 als Gnade?

RENATA EISEN-SCHATZ: Diese Frage musste ich tatsächlich mehrmals lesen, und es kam so überhaupt keine Antwort in mir hoch. Selbst die Definition von Gnade hat kein Ergebnis gebracht, Fazit: Ich sehe in meinem Leben keine Gnade, weil ich auch nicht empfinde, dass mir etwas zugeflogen ist oder geschenkt wird. Alles, was ich bekomme, ist das Ergebnis von Vorherigem. Entweder habe ich es mir erarbeitet, erkämpft oder es ist das Resultat aus meinem bisherigen Tun. Es gibt für mich nur göttliche Gnade und auf die hoffe ich schon, weil sicher nicht immer alles richtig oder in göttlichem Sinne war, und um Gnade und Schutz von oben bitte ich definitiv regelmäßig.

VOLL50: Trauert man um Tiere genauso wie um Menschen?

RENATA EISEN-SCHATZ: Ich selber hatte nie eigene Haustiere außer einem Wellensittich im Kinderalter, aber ich habe furchtbar gelitten, als die Meerschweinchen meiner Tochter – noch dazu an einem Tag – gestorben sind. Ja, und die Trauer hat schon einige Zeit angedauert, und sie fehlen uns heute noch. Vollstes Verständnis habe ich für die Trauer von Menschen, die lange Zeit mit einem Tier gelebt, es sicher sehr geliebt haben, und ja, ich verstehe diese Trauer sehr gut. Ich denke, dass jeder Verlust eines geliebten Wesens, egal ob Tier oder Mensch, zu einer Trauer führt und die Intensität davon abhängt, wie sehr man geliebt hat. Früher hätte ich gesagt, dass wohl ein Unterschied sein muss, „es ist ja nur ein Tier“ – das sehe ich mittlerweile anders und respektiere, dass manche Menschen Tiere mehr lieben als andere Zeitgenossen, ist ja oft verständlich.

VOLL50: Wo hast Du mit Voll50 Deine persönliche Sonne aufgehängt?

RENATA EISEN-SCHATZ: Meine große Freude liegt in der Unabhängigkeit und dem Freisein. Beides hatte ich nicht einmal vor der Gründung der Familie, weil ich als Workaholic nicht frei, sondern ständig mit meiner beruflichen Karriere beschäftigt war. Trotz meiner Jobs bin ich jetzt aber frei! Ich bestimme, was ich wann tue und genieße es sehr. Diese Freiheit ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, warum ich kein Haustier habe. Ich möchte noch viel erleben, viel reisen, und ich habe keine Angst vor Langeweile, wenn es mal beruflich so etwas wie ein Ende gibt, denn es gibt noch so viel zu tun.

VOLL50: Wann empfindest Du emotionale Wärme?

RENATA EISEN-SCHATZ: Wenn ich Zeit mit meinen liebsten Menschen verbringe, meine Familie um mich habe, Freundschaft spüre, gemeinsam lachen kann oder auch bei manchen Blicken von Menschen oder sogar Tieren. Die können einen oft sehr emotional anschauen, und das wärmt mein Herz. Ich spüre es aber auch, wenn ich schöne Musik höre oder mich zum Beispiel ein Kind umarmt. Ich arbeite auch ehrenamtlich in einem Lerncafé und bis vor Corona war es unbeschreiblich schön, weil sich die Kinder sehr oft mit Umarmungen bei mir bedankt haben. Es ist furchtbar, dass es so etwas kaum noch gibt. Diese Distanzierung seit Covid-19 macht mir sehr zu schaffen und zeigt mir erst, wie sehr ich Umarmungen und Nähe von anderen brauche.

VOLL50: Wie hat sich voll50 mit voll30 angefühlt?

RENATA EISEN-SCHATZ: Diese letzte Frage brachte ein großes Stirnrunzeln, denn ich hatte doch tatsächlich mit Voll30 keinen Kontakt mit voll50jährigen Frauen, außer innerhalb der Familie. Familie fühlt sich anders an, es gibt kein Alter, wobei meine Tante immer viel „jünger“ als meine Mutter war, obwohl sie nur zwei Jahre trennen. Sonst kann ich mich mit Voll30 eigentlich nur an Voll50-Männer erinnern, weil sie Kontakt zu mir gesucht, mich eingeladen haben oder weil ich eben in einer beruflichen Männer-Domäne mit ihnen zu tun hatte. Ich habe mich mit manchen gut verstanden, aber sie waren mir immer zu alt – eine interessante Erkenntnis, wo ICH doch jetzt voll50 bin!!! Aber auch eine Erklärung, weshalb die Männer in meinem Leben immer jünger waren als ich!

„Meine Zukunft ist mein persönliches Abenteuer“

Anna Simonetti war lange in starren Strukturen gefangen, weil sie nichts anderes kannte. Doch jetzt ist alles anders und neu – vor allem das Gefühl von Freiheit.

VOLL50: Hat sich Deine Vorliebe für Materialien im Laufe der Jahre geändert?

ANNA SIMONETTI: Eigentlich hat sich da nichts geändert, weil ich immer schon Samt und Spitze gemocht habe. Früher war dabei oft das äußere Erscheinungsbild wichtig, jetzt schaue ich auf Qualität. Und das gilt in jeder Beziehung, nicht nur bei Materialien.

VOLL50: Auf welchen Säulen steht Dein Leben mit Voll50?

ANNA SIMONETTI: Auf Werten. Die Familie ist wichtig, und was eine ganz, ganz starke Säule für mich ist, ist die Freiheit. Die Freiheit, über mein Leben selbst zu bestimmen, schenkt mir große Glücksgefühle. Ich komme aus einem sehr strengen Elternhaus und durfte nie machen, was ich wollte. Nicht einmal den Berufswunsch konnte ich mir nach meinen Vorstellungen verwirklichen. Später kam ich durch meine Heirat in eine Familie, die auch sehr straff organisiert war. Und weil ich Teil dieses Familienunternehmens war, musste ich ständig verfügbar sein. Später, nach der Trennung von meinem Mann, konnte ich erst fassen: Das freie Bestimmen über mich selbst möchte ich nie wieder aufgeben. Und auch später in anderen Jobs, wenn ich das Gefühl hatte, dass Chefs Besitzansprüche auf mich aufzubauen versuchten, wurde es mir einfach zu eng. Das ging dann einfach nicht mehr. Deshalb ist es für mich auch derzeit undenkbar, mit einem Mann zu leben, weil mich das wieder in ein Abhängigkeitsverhältnis führt. Möglicherweise neige ich dazu, weil ich es nicht anders gewöhnt bin. Doch ich merke, dass ich dann unzufrieden werde. Eine Freundin meinte, sie habe mich in Beziehungen immer irgendwie unterwürfig erlebt, und das stimmt auch, weil ich ja gewohnt war, zu gehorchen. Doch das will ich nicht mehr. Einen Tag werde ich nie vergessen: Ich war nach der Trennung mit den Kindern beim Baden und konnte so lange bleiben, wie ich wollte. Kein Kochen, keine Arbeit, keine Erwartungen. Das war ein überwältigendes Gefühl. Damals hatte ich das erste Mal das Gefühl: Es ist so schön, frei zu sein.

VOLL50: Welches Abenteuer liegt noch vor Dir?

ANNA SIMONETTI: Eigentlich das Leben, weil es ja frei ist. Ich kann entscheiden, wie ich meinen Tag gestalte, was ich nächste Woche mache. Das hatte ich nie. Insofern ist jeder Tag fast schon ein Abenteuer. Freilich habe ich Träume, zum Beispiel auf den Jakobsweg zu gehen. Auch andere Reisen gehören dazu. Doch grundsätzlich ist meine Zukunft mein persönliches Abenteuer. Und wenn etwas nicht so kommt, wie ich etwas plane, dann stört das auch nicht. Es darf alles sein.

VOLL50: Welches Allheilmittel hast Du mit Voll50 immer in Deinem (mentalen) Erste-Hilfe-Kasten?

ANNA SIMONETTI: Mich hat es immer weiter gebracht, jeden Menschen so zu nehmen, wie er ist. Ihn nicht verändern zu wollen, sondern für mich zu entscheiden, ob ich diesen Menschen so akzeptiere oder nicht. Wenn mir jemand nicht passt, muss ich ja nichts mit ihm zu tun haben. Sobald man das Gegenüber so sein lässt, wie es ist, ist es für mich eine Bereicherung. Wichtig finde ich auch, etwas direkt anzusprechen. Sachen gleich zu klären, kann viele Verletzungen vermeiden, finde ich.

VOLL50: Pflegst Du lieber Dich oder andere?

ANNA SIMONETTI: Früher habe ich lieber andere gepflegt, momentan pflege ich lieber mich selbst. Es gehört zwar dazu, dass man Familie pflegt, aber in erster Linie schaue ich jetzt auf mich. Und seit ich das mache, sagt man mir, dass ich auch nicht mehr so gestresst ausschaue. Es spiegelt sich eben im Gesicht, in welcher Lebensphase man sich gerade befindet. Meine Freunde freuen sich, dass ich jetzt mehr Zeit für sie habe. Freundschaften pflege ich übrigens auch mehr als früher. Man kann sich trotzdem um andere kümmern, doch sollte sich selbst darüber eben nicht vergessen. Oft denke ich mir, dass sich viele Menschen deshalb nicht selbst achten, weil sie sich vielleicht nicht mit sich selber beschäftigen können oder wollen.

„Man kann sich beteiligen oder man rollt einfach davon“

Eva-Maria Kreuzberger-Stickler

Eva-Maria Kreuzberger-Stickler steckt mittendrin in einer sinnlichen Veränderung. Dabei genießt sie es, aus dem Topf der Erfahrungen zu naschen. Sie helfen ihr, vieles neu zu definieren.

VOLL50: Wann konntest du das erste Mal „alle Fünfe grade“ sein lassen?

EVA-MARIA KREUZBERGER-STICKLER: Das weiß ich weiß nicht mehr. Da ich nicht zum Perfektionismus neige und auch kein planungswütiger Typ bin, fällt es mir leicht, alles liegen und stehen zu lassen. Insofern: Spontane Pausen, ein Gläschen Wein und wertvolle Gespräche plus Spaziergang (hat mich mein Hund gelehrt) werden jederzeit Raum und Zeit haben!

VOLL50: Hat sich Dein sinnliches Empfinden mit Voll50 verändert?

EVA-MARIA KREUZBERGER-STICKLER: Ich bin mitten drin in der sinnlichen Veränderung. Ich schöpfe aus einem Topf wertvoller, witziger, schräger, peinlicher Situationen jeglicher Art. Ich mag meine Stärken und Schwächen. Ich habe erkannt, wie wertvoll und schön mein Körper ist. Meine Lebensumgebung erkenne ich nicht mehr als „Beweise-Dich-Situation“ an, daher bleibt wertvolle Zeit für Sinnlichkeit jeglicher Art. Für mich war obligat, auf die Bremse zu steigen und meine Lebensgeschwindigkeit auf ein gemütliches Tempo zu verlangsamen. Jetzt war wirkliches, sinnliches Wahrnehmen möglich! Das betrifft besonders den Sinn der genussvollen Nahrungsaufnahme. Vor einigen Jahren habe ich täglich für die gesamte Familie gekocht. Jetzt sind alle Kinder flügge geworden, und nur mein Mann und ich bevölkern noch unsere gemütliche Küche. Wir suchen nach Rezepten, bereiten die Köstlichkeiten selber zu, Essen und Trinken an einem schön gedeckten Tisch. Kerzenschein darf nicht fehlen. Da entdeckt man auch den eigenen Mann wieder mit allen Sinnen!

VOLL50: Welche Situation kannst Du Dir vorstellen, in der Du es genießen könntest, das fünfte Rad am Wagen zu sein?

EVA-MARIA KREUZBERGER-STICKLER: (lacht) 20 Jahre in einer Patchworkfamilie zu leben – da ist mir dieses „Fünfte-Rad-am-Wagen-Gefühl“ gut bekannt. Deine Kinder, meine Kinder, Deine Regeln, meine Regeln, zu viele selbsternannte Spezialisten in Sachen Patchwork, die versuchen „mitzuhelfen“. Wir waren als Gesamtkunstwerk acht Personen und Hund – ich habe wahrgenommen, dass jedes Familienmitglied dieses „Fünfte-Rad-am-Wagen-Gefühl“ kennen lernen durfte, sogar der Hund. Nichtsdestotrotz: Viele Jahre empfand ich dieses Gefühl als unangenehm. Das veränderte sich, denn mittlerweile genieße ich die Freiheit, die sich aus dieser speziellen Position ergibt, denn falls das Reserverad doch nochmal wichtig wird, hat man ja die Wahl. Man kann sich beteiligen, oder man rollt einfach davon!

VOLL50: Wie hat sich Deine Einstellung zur Liebe mit Voll50 entwickelt?

EVA-MARIA KREUZBERGER-STICKLER: Im Laufe meiner Entwicklung zum Frausein fand ich den Weg weg von „Cowboy-Beziehungen“ hin zu einem starken Gefühl der Zuneigung zu mir nahestehenden Menschen. Ich durfte in jungen Jahren die Mutterliebe zu meinen Söhnen erfahren. Ich habe für die beiden vieles getan, was ich für keinen anderen Menschen auf mich nehmen würde.

Meine Liebe weitete sich durch das Einlassen auf das Abenteuer „Patchworkfamily“.  In diesen Lebensjahrzehnten fühlte sich meine Liebe und Zuneigung auf die Familie fokussiert (gebündelt) an. Jetzt mit voll50 wird meine Liebe umfassender – die Liebesschwingungen tanzen mal stürmisch, mal sanft, und sie verteilen sich auf Menschen, Tiere, Pflanzen – aufs Tun und Dasein. Viele wertvolle Wesen, aber auch Hürden wurden mir als Lehren zur Seite gestellt. Mehrmals bin ich gestrauchelt, habe Rückschläge in Kauf genommen, Verletzungen erlitten. All die bewältigten Krisen waren Anlass, mich weiterentwickeln zu können, verzeihen zu lernen, Werte zu leben, das Beste aus der gegebenen Situation zu machen, den dynamischen Prozess des Lebens zu erkennen. Ich hoffe auf eine nie endende Entwicklung dieses Tanzes der Liebe. Manchmal versuche ich meinen Kindern und Enkeln zu erklären wie toll das mit mir, im hohen Alter, noch werden wird! „Alles gut, Mama“, ist die liebevolle Antwort.

VOLL50: Woran erkennst Du, dass ein Mensch offen ist für neue Erfahrungen?

EVA-MARIA KREUZBERGER-STICKLER: Wenn Menschen einander aktiv zuhören und Interesse am Gegenüber zeigen, beginnt schon die Offenheit für neue Erfahrungen. Wenn sich Mitmenschen in neue Heldengeschichten begeben, ohne Sicherheitsnetz und sich nicht von hohen Wellen und Gegenwind beeinflussen lassen. Wenn ich in Wort und Tat spüre, dass Verzeihen möglich wird.

Wenn ich in meinem Beruf als Krankenschwester erlebe, dass Menschen aufgrund von physischen und/oder psychischen Erkrankungen an die Grenzen des Lebens geführt werden. Die meisten von ihnen fassen den Entschluss, sich der Situation zu stellen, die neue Lebenssituation zuzulassen, Regeln und Normen über Bord zu werfen, zu kämpfen, Beziehungen zu vertiefen oder zu beenden. Manche von ihnen darf ich auf diesem Weg begleiten. Dabei ist natürlich Voraussetzung, dass ich selbst offen für neue Erfahrungen bin!

“Horizont noch lange nicht ausgereizt“

Birgit Klackl-Salletmaier

Woher mit Voll50 Kraft und Inspiration kommt, weiß Birgit Klackl-Salletmaier inzwischen. Und doch gibt es noch vieles, was den Horizont dehnen soll.

VOLL50: Woher nimmt frau mit Voll50 Kraft?

BIRGIT KLACKL-SALLETMAIER: Für die Kraft, die ich brauche, habe ich mehrere Quellen, aus denen ich schöpfe. Zum einen ist da die Kernfamilie, also mein Partner und die beiden halbwüchsigen Jungs. Das Wissen, dass wir als Familie einander immer unterstützen und da füreinander sind, verleiht Kraft. Auch die erweiterte Familie und eine Handvoll Freundinnen gehört zu dieser Kraftquelle.

Dann ist bei mir der Sport eine sehr wichtige Kraftquelle: Der stärkt natürlich den Körper, macht aber auch den Kopf frei und schärft mein Denken. Nach dem Laufen beispielsweise bin ich entspannt und fühle mich dann oft erst imstande, unangenehme Aufgaben – die an den Kräften zehren – anzupacken.

Und als ich noch in meinen 30ern war, bekam ich von einer klugen 50erin einen Sinnspruch mit auf den Weg: „In der Ruhe liegt die Kraft.“ Dieses Mantra hilft oft, besonders im Umgang mit meinen zwei Pubertieren: Einmal durchschnaufen, konzentrieren und dann erst reagieren.

VOLL50: Wächst die eigene Natur mit der umgebenden zusammen?

BIRGIT KLACKL-SALLETMAIER: Selbstverständlich wächst die eigene Natur mit der umgebenden zusammen. Kein Mensch ist eine Insel, und jede von uns lebt im Zusammenspiel mit anderen und ist ein Produkt ihrer Beziehungen. Daher finde ich es wichtig, mir genau anzusehen, womit ich mich umgebe. Ist das Denken und Handeln der Personen, die ich um mich habe, positiv und im besten Fall für beide Seiten befruchtend? Ich versuche mich von Menschen fern zu halten, die so eine grundsätzliche Schwere und Ernsthaftigkeit im Leben haben. Da ich merke, dass das rasch auf mich abfärben würde.

VOLL50: Ist mit Voll50 der Horizont schon ausgereizt?

BIRGIT KLACKL-SALLETMAIER: Das hoffe ich doch nicht! Also mein persönlicher Horizont ist mit über 50 sicherlich nicht ausgereizt. Da sind einmal meine beiden Teenager, durch die ich mit Neuem konfrontiert bin: Wie nehmen sie die Welt wahr? Was erleben sie wie? Wie kann ich an ihrem Leben teilhaben und ihren Blickwinkel einnehmen? Da ist vieles dabei, was meine Sicht verändert.

Ich versuche täglich, meinen Horizont zu erweitern und hadere doch damit,  oft aus Zeitgründen nicht alles wissen und lernen zu können, was mich interessiert. Es gäbe so viele Bücher, die zu lesen sind. Und viele Gegenden und Länder, die ich sehen möchte. Aber auch wenn ich mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gehe, erweitert sich mein Horizont: Ich habe in den letzten Monaten unsere Stadt Salzburg aus ganz anderen Blickwinkeln wahrgenommen. Ganz einfach, weil ich mir mehr Zeit zum Sehen genommen habe.

VOLL50: Welche Rolle spielt Verzeihen in deinem Leben?

BIRGIT KLACKL-SALLETMAIER: Ich bin ja eher ein vergesslicher Mensch. Und da ich wegen meines schlechten Gedächtnisses nicht nachtragend bin, fällt es mir leicht, zu verzeihen. Auch mir selbst. Etwas zu verzeihen empfinde ich auch als Vergangenheitsakt: Das zu Verzeihende ist schon passiert. Aber um zu verzeihen, muss ich mich wieder in die Vergangenheit wenden. Und das passt nicht zu mir, weil ich eher auf die Gegenwart und Zukunft schaue. Verzeihen ist also kein großer Aufwand für mich, weil es eh der Zwilling von Vergessen ist.

VOLL50: Wovor möchtest du mit Voll50 noch davonlaufen?

BIRGIT KLACKL-SALLETMAIER: Manchmal möchte ich gern vor Dummheit und Ignoranz sprichwörtlich davonlaufen. Der Wunsch wird mit dem Alter stärker, und ich denke immer noch drüber nach, ob das Intoleranz meinerseits ist.

Aber mehrmals pro Woche schlüpfe ich tatsächlich in die Laufschuhe und laufe davon: vor dem Alltag, der mir zu langweilig erscheint; vor den Pubertieren, die mir zu fordernd erscheinen; vor Menschen, die zu viel meiner Zeit beanspruchen; vor den Medien und den Negativschlagzeilen; vor mir selber, weil ich zu anspruchsvoll bin; vor Tätigkeiten, die ich nicht tun möchte. Die Liste ist beliebig erweiterbar. Wenn ich von meiner Runde des Kopfauslüftens zurück bin, weiß ich jedenfalls, dass im Davonlaufen meist die Lösung steckt: Das Lösung des Problems ist mir eingefallen, der negative Gedanke vergessen, die fordernden Pubertiere plötzlich lieb und nett und die ungeliebte Tätigkeit in fünf Minuten erledigt.

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„Verantwortung bedeutet auch, Antworten zu finden“

Angelika Kail wünscht sich mit Voll50 mehr denn je, dass mehr Menschen Selbstverantwortung für sich übernehmen.

VOLL50: Macht dir Verantwortung mit Voll50 mehr Spass?

ANGELIKA KAIL: Verantwortung zu übernehmen hat mir immer schon Spaß gemacht, allerdings macht es mir mit 50 mehr Spaß, Verantwortung für mich selbst zu übernehmen, anstatt für andere. Ich fühle mich nicht mehr so verantwortlich, für andere mitzudenken oder ihnen etwas abzunehmen. Ich fühle mich auch für wesentlich weniger zuständig, als ich das früher getan habe. Ich habe den 50er in dieser Hinsicht in gewisser Weise als Befreiung erlebt. Im Wort ‚Verantwortung‘ steckt ja auch das Wort ‚Antwort‘ mit drin. Verantwortung heißt für mich also auch, Antworten zu finden. Die finde ich heute mehr in mir selbst als in jüngeren Jahren, als ich mehr nach außen orientiert war. Ich fühle mich weniger zuständig, Antworten für andere finden zu müssen. Ich bin aber verantwortlich dafür, meine eigenen Antworten zu finden und mir gegebenenfalls Unterstützung zu holen für all jene Fragen, auf die ich keine Antworten finde. Verantwortung übernehmen für mein eigenes Denken, Fühlen und Handeln gehört genauso zu einem verantwortungsvollen Leben, wie meine Projektionen zurück zu nehmen, nicht mehr andere Menschen für mein Wohlbefinden verantwortlich zu machen, mein Verhalten selbst steuern und mein Leben selbst gestalten zu können. Das macht definitiv Spaß, selbst wenn es mitunter anstrengend wird!

Und da wünsche ich mit 50 mehr denn zuvor, dass das mehr Menschen in dieser Form für sich übernehmen: Selbstverantwortung nämlich. Bei einem selbst ist die Verantwortung nämlich zu 100% richtig übernommen. Ausgenommen natürlich Menschen, die aus alters-, gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nicht dazu in der Lage sind.

VOLL50: Wie hat sich Dein Blick auf das Helfen mit Voll50 verändert?

ANGELIKA KAIL: Ich sehe mich in diesem Alter sehr in einem gebenden und beitragenden Modus. Ich möchte gerne meinen Beitrag in der Gesellschaft leisten, einen Anteil daran haben, dass ein menschliches Miteinander gelingen kann. Dies ist mir auch dadurch möglich, dass ich in einem gesunden Maße Selbstverantwortung übernehme. Mit meinen Ressourcen gut im Blick und auch gut im Griff macht es mir mehr Freude, meine Potenziale auch zu Gunsten einer Allgemeinheit einzusetzen.

In diesem Sinne heißt ‚Helfen‘ mit 50 für mich viel mehr ‚einen gesunden Beitrag leisten‘. Wenn erst einmal das Helfersyndrom und alle darin wurzelnden ungesunden Selbstansprüche aufgegeben sind, kann Beitrag leisten gelingen – dann nämlich nicht mehr aus einer Selbstaufgabe oder Selbsterhöhung heraus, sondern aus einem klaren Bewusstsein über das eigene Selbst und einer realistischen Einschätzung eigener Fähigkeiten, Schwächen und Begabungen.

Ich habe im Laufe meines Lebens ein sicheres Gefühl dazu entwickelt, wann jemand wirklich meine Hilfe benötigt, oder es sich vielmehr um eine andere Motivation desjenigen handelt. Ich traue es Menschen zu, ihre Probleme selbst zu lösen, denn ich habe die felsenfeste Überzeugung, dass der Mensch immer stärker ist als seine Probleme. Insofern gebe ich – was natürlich auch ein beruflicher Anspruch von mir ist – gerne Hilfe zur Selbsthilfe, lasse die Probleme aber grundsätzlich lieber bei ihren Besitzern – aus Respekt und Wertschätzung für die Kraft und Ressourcen, die in jedem einzelnen stecken!

VOLL50: An welchen heilenden Moment in Deinem Leben erinnerst Du Dich am liebsten?

ANGELIKA KAIL: Heil sein heißt für mich ganz sein. Insofern sind heilende Momente in meinem Leben all jene, in denen es mir gelingt, ganz zu sein bzw. ein Stück ganzer zu werden. Ein sehr heilender Moment war für mich eine berufliche Begebenheit: Ich habe einen Auftrag zurückgelegt, den ich übernommen und für den ich mich seitdem zuständig gefühlt hatte – was ja grundsätzlich auch so ist, wenn man etwas aus freien Stücken übernimmt. Ich habe den begonnenen Auftrag abgebrochen, da sich währenddessen herausstellte, dass mein persönliches Wertebild nicht mit den Anforderungen des Auftrages kompatibel war. Ich hätte also entgegen meinen Werten weiterarbeiten können oder zu meinen Werten stehen können. Es fiel mir anfangs sehr schwer, diese Entscheidung zu treffen, da mein durchaus hohes Pflichtgefühl mir einreden wollte, dass ein einmal übernommener Auftrag auch bis zum Ende ausgeführt gehörte, egal, was geschieht. Nach einigem Hin und Her und ein paar Stunden Supervision habe ich mich entschieden, allen pflichtbewussten inneren Stimmen zum Trotz den Auftrag zurückzulegen. Nach anfänglichem Hadern und Was-wäre-gewesen-wenn-Überlegungen hat sich schließlich ein klares Gefühl eingestellt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. In diesem Moment konnte ich rückwirkend auch all jene Momente in meinem Leben heilen, in denen ich entgegen mein Wertesystem in Situationen verharrt habe, die mir nicht gutgetan haben. Ich habe einen wichtigen Persönlichkeitsanteil ‚nach Hause geholt‘: den Teil in mir, der zu sich stehen kann, egal, was andere sagen oder denken. Das hat mich ein wenig ganzer, heiler gemacht.

VOLL50: Dient man mit Voll50 sinnvollerweise sich selbst oder den anderen?

ANGELIKA KAIL: Sinnvollerweise dient man beiden bzw. kann man den anderen auch erst richtig ‚dienen‘, wenn man gelernt hat, sich selbst zu dienen. Und ich glaube, um das in seinem Leben wirklich zu lernen, zu verstehen und zu integrieren, braucht es durchaus 50 Lebensjahre…Ich finde am ‚Dienen‘ nichts Schlechtes, sofern man es als ‚Beitrag leisten‘ begreifen kann. Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch gerne einen Beitrag leistet – in einem gesunden Maße und seinen Ressourcen entsprechend. Ich bin auch überzeugt, dass jeder Mensch Ressourcen im Sinne von Fähigkeiten und Begabungen im Leben bekommen und entwickelt hat, um diese letztlich der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. In dieser Hinsicht ist uns die Natur ein schönes Vorbild: nichts wird verschwendet. Auch die Ressourcen jedes einzelnen Menschen sind nicht zum Verschwenden da, sondern, um sie – in einem gesunden Maße – der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen.

Mit einem klaren Bewusstsein über diese eigenen Ressourcen und mit der nötigen Selbstkenntnis und Selbstverantwortung macht es Freude, diese Ressourcen auch den anderen zur Verfügung zu stellen. Das empfinde ich als ‚Dienen‘. Es hat rein gar nichts mit untertänig oder abhängig sein oder sich ausnutzen lassen zu tun, sondern bedeutet für mich ein Zur-Verfügung-Stellen eigener Fähigkeiten zu Gunsten einer Gemeinschaft, also ein freiwilliges Geben. Diese Fähigkeiten von Menschen sind völlig unterschiedlich und selbst wenn zwei Menschen dieselben Fähigkeiten haben, dann setzen sie sie völlig unterschiedlich ein oder interpretieren diese Fähigkeiten auf verschiedene Art. Ich bin überzeugt, dass es jeden Menschen in ganz genau seiner Einzigartigkeit braucht, um in dieser Gemeinschaft zu ‚dienen‘ – aus Freude an der Sache, aus Bewusstsein über die Wichtigkeit des eigenen Beitrags, aus Wunsch am sinnvollen Tun.

Ich glaube also, wenn man richtig gelernt hat, sich selbst zu dienen, dann dient man auch gerne anderen, der Gemeinschaft. Wenn man das eigene Ego erstmal gezähmt oder zurückgestellt hat, dann gewinnt man wieder Freude, in einem gesunden Maße für andere da zu sein. Dieses ‚Dienen‘ an der Gemeinschaft gewinnt für mich mit jedem Jahr mehr an Bedeutung. Es bedeutet für mich immer mehr ich selbst sein, ganzer werden, sichtbarer werden, meinen Platz in dieser Welt einzunehmen und das zur Verfügung zu stellen, was ich vom Leben geschenkt bekommen habe. Mir persönlich ist das nicht nur Anspruch, sondern vor allem Bedürfnis!

VOLL50: Fängt die Suche nach dem Sinn des Lebens mit Voll50 an, hört sie auf oder wird sie weniger wichtig?

ANGELIKA KAIL: Ich glaube, dass wir mit 50 vielleicht mehr die Chance haben, zu erkennen, dass man den Sinn des Lebens weniger findet, als sich selbst gibt.

Durch Auseinandersetzung mit wichtigen Lebensfragen (Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich?) kann der Hunger gestillt werden, der die ständige Suche vorangetrieben und zu so mancher exzessiven Lebensweise geführt hat.

Persönlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass es mir gut geht, wenn ich meinem Leben selbst Sinn schenke. Durch (An)Erkennen meiner Fähigkeiten, durch tieferes Verständnis für meine Biografie, durch Respekt für meine Schwächen und emotionalen Wunden, durch Selbst-Entdeckung kann ich das Puzzlespiel fortsetzen, als das ich mein Leben betrachte. Ereignisse bekommen rückblickend Sinn und ich verstehe mein Leben in einem größeren Zusammenhang. Dadurch gewinnt es an Leichtigkeit, an Tiefe und an Freiheit. Insofern wird die Suche wohl im Laufe des Lebens weniger wichtig, nämlich dann, wenn es gelingt, sie in ein Sinn geben zu verwandeln.

Mehr über Angelika Kail: www.angelika-kail.at

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