„Nicht abhängig zu machen von Meinungen anderer“

Wer sich frei von Prägungen macht, wird mit einer Kaskade von neuen Möglichkeiten belohnt, sagt Marion Falzeder. Ihr jüngstes Abenteuer: das Enkerl.

VOLL50: Wann führt Disziplin automatisch zu Konzentration?

Marion Falzeder: Hm, jetzt sollte ich wohl antworten, dass ich mit 50 natürlich immer diszipliniert bin und über die Jahre gelernt habe, dass Disziplin in manchen Bereichen hilfreich ist. Aber leider bin ich nach 53 Lebensjahren manchmal immer noch bequem, unordentlich oder zu faul, zum Beispiel diszipliniert meinen Kleiderschrank in Ordnung zu halten. Wie das andere schaffen, weiß ich nicht, aber sobald ich ein T-Shirt rausziehe, sind sämtliche andere krumm und schief. Bei meiner Mutter ist immer alles perfekt wie mit dem Lineal gezogen, aber bei mir funktioniert das nicht. Erst wenn ich wirklich etwas fertigbringen muss, ein Termin ansteht oder ein Vortrag zum Abgeben ist, dann werde ich diszipliniert und hochkonzentriert. Ein gewisser Druck muss bei mir vorhanden sein, dann klappt es auch mit beiden 😉. Wie oft ich mir das in meinem Leben schon vorgenommen habe, früher anzufangen, damit ich keinen Stress zum Schluss habe – ich bin in dieser Sache lernresistent. Auch aus der Schulzeit kenne ich das noch sehr gut, am Tag vor der Schularbeit, war ich am konzentriertesten und sehr diszipliniert. Während der Studienzeit war meine Wohnung nie sauberer als vor einer Prüfung … das war mir der Haushalt sogar lieber, als zu lernen. Wenn ich viel zu tun habe und alles fertig werden muss, dann ist meine innere Uhr automatisch auf Frühaufstehen programmiert, und ich bin täglich um spätestens 5.00 Uhr munter. Ich bin ein Morgenmensch und um diese Zeit geht es dann auch am besten mit der Konzentration. Aber wie gesagt, ein bisserl Druck ist nötig.

VOLL50: Wovon sollte frau mit „voll50“ auf keinen Fall abhängig sein?

Marion Falzeder: Für mich war immer klar: Ich möchte nie von einem Mann abhängig sein und mein eigenes Geld verdienen. Viele Jahre am AMS und dann später in der Abteilung für Frauenförderung an der JKU haben das verstärkt. In einer Beziehung ausharren zu müssen, weil es sich finanziell nicht ausgeht, sich zu trennen, möchte ich mir als freiheitsliebenden Menschen nicht vorstellen. Ich hatte das Glück, dass mein Mann meine Lebenspläne immer mitgetragen hat und mich selbstverständlich in der Verwirklichung meiner Wünsche unterstützt hat. Ich habe neben den Kindern zu studieren begonnen, meinen Beamtenjob zu Gunsten einer Veränderung an der Universität Linz aufgegeben und dann nochmals den Sprung in das Ungewisse gewagt, um nur mehr meine Schwimmschule zu managen. Danach folgten noch Ausbildungen in Cranio-Sakraler-Körperarbeit und einer speziellen – auch körperorientierten – Methode zur Bewältigung von Traumata (Somatic Experiencing). Lange war ich in dem Korsett meiner Erziehung verhaftet, dass man einen Beamtenjob nicht aufgeben kann, und ich traute mich nicht, nur daran zu denken, dass mich diese Arbeit nicht mehr glücklich macht. Als ich es endlich gewagt habe, dort zu kündigen, war es eine so große Befreiung, die eine Kaskade an neuen Möglichkeiten losgetreten hat. Ich möchte allen Mut machen, sich nicht abhängig zu machen von Meinungen anderer, von Wertvorstellungen der Familie, sondern auf sein Herz und Bauchgefühl zu hören, was einem gut tut.

Die beiden Ausbildungen zur Körperarbeit haben mir viel geholfen, besser wahrnehmen zu können, wo meine Grenzen sind und was ich verändern muss, um mich wohler zu fühlen. Wenn sich Gelegenheiten bieten im Leben, wo es einen richtig hin sehnt, wo das Herz aufgeht und das Baucherl warm wird, wenn man daran denkt, dann ist es wert, dort näher hinzusehen. Meine Gelegenheitsfenster haben sich weit geöffnet, immer wieder, bis ich mutig genug war, sie wahrzunehmen, und ich bin heute sehr froh darüber, dass ich mich von den Idealen meiner Eltern frei machen konnte.

Ich bin glücklich, meine Talente in den Schwimmkursen mit Babys und Kindern einbringen zu dürfen. Meine Ausbildungen helfen mir, unterstützend in der Bewältigung von Wasserangst zu sein oder Babys einen bessern Start ins Leben zu ermöglichen, wenn Schwangerschaft und Geburt ein traumatisches Erlebnis waren. Das ist sehr erfüllend für mich. Ich kann mir meine Zeit nahezu frei einteilen und bin auch hier weniger abhängig von strikten Zeitkorsetten, was meinem persönlichen Zeitmanagement gut tut. Mit voll50 merke ich nämlich immer mehr, dass ich nicht mehr so schnell bin wie früher, aber auch nicht mehr so schnell sein mag wie früher.

VOLL50: Wofür gibt es Langeweile?

Marion Falzeder: Was ist Langeweile? Schon als Kind war ich eine Leseratte und rundum glücklich, wenn ich in einer Ecke sitzen konnte, um zu lesen. Auch heute ist mein Alltag so ausgefüllt, dass ich Langeweile nicht kenne. Im Gegenteil, ich muss mir Zeitinseln schaffen, damit ich mir auch eine „lange Weile“ an Nichtstun gönne. Diese Zeit brauche ich, um mein Inneres hören zu können. Im Alltag überhöre ich da viel und nehme mir nicht die Zeit, richtig hinzuspüren. Der Körper braucht aber diese Muße-Minuten, um erzählen zu können, was ihn bewegt. Er muss seine Geschichte erzählen dürfen, damit er Stress loswerden kann oder sich negative Erlebnisse auflösen dürfen. Alles, was uns zu schnell, zu intensiv oder zu heftig passiert, wird mit dem Verstand kaum verarbeitet, aber im Körpergedächtnis abgespeichert. Wenn das nicht beachtet wird, können sich verschiedene Symptome entwickeln, körperliche und psychische Probleme können die Folge sein. In der Cranio-Sakralen Körperarbeit und im Somatic Experiencing lehren wir die Menschen, wie wichtig es ist, hinzuhören in den Körper, seinen Geschichten zu lauschen, seiner Ausdrucksmöglichkeit Raum zu geben. Wenn einem langweilig ist, wäre das eine gute Möglichkeit, sich dafür Zeit zu nehmen, um sich was Gutes zu tun. Man glaubt gar nicht, was einem da alles erzählt wird 😉.

VOLL50: Welches Buch sollte man mit „voll50“ unbedingt gelesen haben?

Marion Falzeder: Als Vielleserin gibt es für mich unzählige Bücher, die es wert sind, gelesen zu werden. Es ist aber sehr subjektiv, was gefällt und was nicht. Während ich Krimis liebe (sie dürfen ruhig auch etwas blutrünstig sein 😉), mag das meine Freundin gar nicht. Unbedingt lesenswert ist auf jeden Fall Peter Levines „Sprache ohne Worte“, das mir viele AHA-Erlebnisse und wertvolle Erkenntnisse während meiner Trauma-Ausbildung beschert hat. Sehr inspirierend empfand ich „Briefträgerkind“ von Oskar Kern. Als Manager hat er in diesem Buch seine Lebensweisheiten sehr unterhaltsam zusammengefasst, die er von seinen Eltern gelernt hat. Diese waren Landbriefträger in einer kleinen Gemeinde im Mühlviertel, und deren Erlebnisse haben mich sehr daran erinnert, was auch ich von meinen Großeltern lernen durfte. Ein sehr kurzweilig geschriebenes aber lehrreiches Buch, durch die kurzen Kapitel eine perfekte Bettlektüre.

VOLL50: Wie lange ist dein letztes Abenteuer her?

Marion Falzeder: Mein Mann und ich sind sehr gerne unterwegs, seit einem halben Jahr mit einem alten Wohnmobil. Da wird jede Reise ein kleines Abenteuer, denn irgendwas ist immer, wenn man abseits vom Trubel unterwegs ist. Ein richtig „großes“ Abenteuer haben wir mit den Kindern erlebt, die heute noch davon reden, obwohl es circa zwölf Jahre her ist. Statt Campingurlaub haben wir uns einmal einen All-inklusive-Club in Hurghada (Ägypten) geleistet. Unsere Jungs wollten aber unbedingt die Pyramiden sehen, daher buchten wir eine Fahrt dorthin. Wir wurden um 22.00 Uhr in einem alten klapprigen Bus mit vielen anderen eingesammelt, die ganze Nacht bis nach Kairo gefahren, dort noch in diverse Verkaufsgeschäfte geschleppt, bis wir endlich bei den Pyramiden ankamen. Retour war es wieder ähnlich 😉. Kommen wir jemals an? Hält der Bus das aus? Wird es irgendwo mal eine Toilette geben? Aber wir haben es überstanden, und für die Kinder war es ein richtiges Abenteuer. Die Pyramiden natürlich beeindruckend, wenngleich sie mittlerweile quasi mitten in der Stadt sind und die Verkäufer von Ramsch unglaublich lästig dort sind.

Für mich ganz speziell war die Fahrt vor circa 20 Jahren durch Albanien. Eine Zeitreise zurück in meine Kindheit mit schlechten Straßen, ganzen Familien samt Baby auf dem Moped fahrend und keine Kreditkartenmöglichkeiten. Sehr aufregend, spannend und interessant, da quasi noch kein Tourismus dort war und alles sehr ursprünglich ausgesehen hat! Das neueste Abenteuer, das am 4. Juni gestartet hat, ist die Zukunft als Oma. Durch meine Schwimmschule bin ich die Arbeit mit Kindern gewöhnt, und ich habe auch sehr viel Kontakt zu FreundInnen mit kleinen Kindern. Trotzdem ist das wieder ein neuer Schritt, der aufregend und berührend zugleich ist. Ich freue mich sehr auf diese Zeit und hoffe, eine Oma zu werden, zu der meine Enkelkinder gerne kommen werden.

www.nessie.at

„ Als liebender und reflektierter Mensch wirklich sehr gut gelungen“

©Michael Hartl – design foto film

Lebensprüfungen sind für Claudia Kanz ein Auftrag zur eigenen Weiterentwicklung. Und sie tragen dazu bei, neue Wege zu finden und sich selbst zu lieben.

VOLL50: Welchen Stellenwert haben Prüfungen mit voll50?

Claudia Kanz: Prüfungen gibt es ein ganzes Leben lang. Du lernst ja auch ein Leben lang. Das macht es für mich aber auch interessant. Manche Prüfungen suchst du dir aktiv aus, weil du etwas Neues lernen und beweisen willst, dass du es kannst. Und andere Prüfungen stellen sich dir direkt im Leben breitbeinig in den Weg. High noon!

Wir alle sind Beziehungsmenschen, und wenn es gerade auf dieser Ebene knatscht, ist es immer auch eine Prüfung, finde ich. Man lernt viel über sich selbst in der Krise und genauso im Konflikt, und ich sehe Schwierigkeiten, oder das Erlernen neuer Inhalte, Fähigkeiten, Verhaltensweisen immer auch als Lernprozess für mich selbst. Ich schaue mir selbst zu und bewerte und passe meine Strategie an. Manche nennen das reflektiert sein. Aber es ist mehr als das. Für mich bedeutet es, sich selbst auch immer wieder ein anderes Verhalten zu erlauben. Denn das alte Verhalten in die Zukunft zu kopieren, funktioniert nicht wirklich. Wir bleiben ja auch nicht ganz dieselben, wenn wir uns mit den Jahren weiterentwickeln.

Ich mag keinen Stillstand und glaube daran, dass wir uns bis zum Ende – sprich Tod – entfalten dürfen. Müssen wir ja auch, weil sich unser Lebensumfeld auch ständig verändert. Wir sind, nur weil wir 50+ sind, nicht mit allem fertig und können uns zurücklehnen. Da passiert noch viel. Hoffe ich. Anders, aber trotzdem gut. Vielleicht sind manche von uns nicht mehr so schnell bereit, etwas Neues zu lernen, aber für mich sind solche Lebensprüfungen – wie Beziehungen, Trennungen, berufliche Herausforderungen, Umzüge oder die Erderwärmung, der Rechtsruck oder einfach das Loslassen von alten persönlichen Glaubenssätzen – ein guter Spiegel und auch immer Auftrag für meine eigene Weiterentwicklung.

VOLL50: Worauf bist du nicht mehr neugierig?

Claudia Kanz: Ich bin von Natur aus sehr neugierig und spontan. Wenn etwas Neues meinen Weg kreuzt, will ich es auch ausprobieren und so verstehen lernen. Aber es gibt schon ein paar Situationen, die aufgrund meines feministischen Mindsets für mich absolut keinerlei Charme haben. Ich bin echt nicht neugierig auf aggressive Machtkämpfer ohne echtes Standing – das Maskulinum ist hier ganz bewusst gewählt. Meine Geduld mit Mansplainern (*) und den in den sprichwörtlichen 60er Jahren feststeckenden Chauvis ist nicht vorhanden. Ich werde nie den Moment vergessen, als ein Mann mich vor versammelter Mannschaft bedroht und angeschrien hat, jetzt sofort den Mund zu halten und mir zu überlegen, was ich jetzt sage, sonst… Und ich habe ihm lächelnd geantwortet, ich sei bereits zu alt und abgebrüht, dass mir schreiende Männer imponieren würden. Im Gegenteil, denn das sei viel zu flach und er solle die Tür ganz leise hinter sich schließen, wenn er jetzt geht. Und er ging. Ich finde so ein sexistisches Verhalten macht Männer nicht gerade attraktiver, oder was sagt ihr? Sagt denen das keiner?

Es gibt eine ganze Liste an kleineren Dingen/Tätigkeiten, die ich heute nicht mehr brauche. Ich bin nicht mehr neugierig darauf, mich so zu verhalten, wie es Andere von mir erwarten. Mir reichen meine eigenen Erwartungen an mich selbst, die ich auch nicht immer erfülle, und ich bin mir sehr oft eine härtere Gegnerin als jeder andere Mensch. Ich bin nicht mehr neugierig auf lange Nächte in Bars. Ich gehe einfach unterm Radar vor Mitternacht nachhause, weil ich einfach weiß, dass nichts Außergewöhnliches mehr passieren wird. Ich bin nicht neugierig auf veraltete Moralvorstellungen oder Tabus, die schon lange keine mehr sind oder sein sollten. Ich bin nicht mehr neugierig darauf, jede Mode mitzumachen. Ich weiß heute ganz genau, was mir steht. Ich habe bewusst keinen Fernseher und kein Auto mehr und beides geht mir nicht ab. Ich gebe FreundInnen kein Lipservice mehr (=genau das sagen, was der andere gerne hören will). Wenn ich um eine Meinung geben werde, sage ich, was ich mir dazu denke, auch wenn es weh tun kann. Ich erwarte mir von meinen Menschen das Gleiche, weil es mich weiterbringt als nette Worte.

Aber ich bin neugierig, ob diese zugegeben sehr rudimentäre Liste in den nächsten Jahren noch viel länger wird, oder ob ich etwas davon – aus mir heute noch undenkbaren Gründen – wieder ganz anders sehe. Nichts bleibt ewig gleich, das ist die einzige Konstante. 😉

VOLL50: Welche Entscheidung sollte man mit voll50 immer wieder treffen?

Claudia Kanz: Da schreit mein Herz sofort: Für die Liebe! Aber mit meinen 51 Jahren geht es nicht mehr nur um die körperliche oder romantische Liebe. Es geht um jede Art von Liebe. Um Freundschaft, Familie, Liebschaften, Leidenschaft, aber besonders um die Liebe zu sich selbst.

Die Selbstliebe, warum ist sie mir so wichtig? Ich denke, das hat viel damit zu tun, dass dieses Jahrzehnt zwischen 50 und 60 das freieste im Leben einer Frau ist. Ich empfinde mich immer noch als schön und begehrenswert, auch wenn ich keine fruchtbare Frau mehr bin. Jetzt ist die Zeit, in der ich alles sein kann, alles ausprobieren kann, denn nichts und niemand hält mich davon ab, ganz ich selbst zu sein. So empfinde ich das gerade. Die Kinder sind erwachsen und in meinem Fall ist der Ehemann bereits Geschichte. Ich bin nach über 20 Jahren wieder Single. Ja, so ein kompletter Neuanfang ist kein Zuckerschlecken. Weder emotional noch wirtschaftlich, aber ich würde die Entscheidung immer wieder treffen. Weil es eine Entscheidung für mich war. Alle Beziehungen haben ihre Zeit und ihren Sinn, aber man sollte sich nicht scheuen, sie zu beenden, wenn sie einen nicht mehr glücklich machen.

Ich gestalte mein Leben als Singlefrau jetzt gerade wieder ganz neu und dieses Mal wirklich ganz alleine. Ich lebte das letzte Jahr in einer 2 Frauen, 3 Kinder WG nach der Trennung vom Mann. Ich konnte mir aus meiner Persönlichkeitsstruktur heraus gar nicht vorstellen, alleine zu leben. Jetzt ist es anders. Ich bin bereit, wieder einen nächsten Schritt zu tun und suche gerade eine 3-Zimmer-Wohnung für meine Tochter (lebt an ungeraden Monaten bei mir) und mich. Diese Freiheit und Unabhängigkeit sehne ich schon sehr herbei und nenne das jetzt schon meine kompromissfreie Zone. Ich allein bin die Macherin meiner Zukunft. Endlich fokussierst du dich wieder viel mehr auf dich selbst. Du machst nicht mehr alles aus falsch verstandener Zuwendung mit und du hast gelernt „Nein!“ zu sagen, ohne die Angst, dann nicht mehr geliebt zu werden. Ich kann mit Fug und Recht behaupten ich liebe mich, wie ich bin. Mit allen Ecken und Kanten, Falten und Hügeln, Spinnereien und Spleens, Stärken und Schwächen. Selbstliebe heißt für mich, nicht mehr in ein Schema reinpassen zu müssen/wollen. Das ist für mich gel(i)ebte Freiheit.

VOLL50: Wo hört sich Zweisamkeit um jeden Preis auf?

Claudia Kanz: An der Toilettentür! :))) Um die seriösere Kurve zu kriegen, schließe ich hier aber lieber gleich direkt an mein Plädoyer für die Selbstliebe an. Ich würde es heute nicht mehr aushalten, wenn ein Partner mir seine ungelösten persönlichen Kamellen umhängt oder sogar von mir fordert, mich so zu verhalten, dass er, ohne sie zu bearbeiten, fein mit ihnen leben oder sie ignorieren kann. Ich muss mich um meine Interieurs ja auch selbst kümmern. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wie belastend so ein bedürftiges Verhalten in Beziehungen ist. Ich bin bezüglich Übergriffe heute viel sensibler. Das heißt nicht, dass ich meinen Partner nicht unterstütze. Im Gegenteil. Das tue ich gern, solange er dabei Verantwortung für sich selbst übernimmt. Ja, und das gibt auch Diskussionen.

Ich möchte euch aber nicht nur erzählen, wo es für mich aufhört, sondern auch ein konkretes Bild malen, wo es für mich anfängt. Träumen kann man ja, oder? Und ich träume immer lieber vom Anfang als vom Ende. Ich habe im Netz eine kleine Allegorie zur reifen Liebe gefunden und sie für mich in meiner Tonart erweitert und transponiert:

Es ist ein schöner, warmer Sommertag. Auf einer grünen, saftigen Wiese steht auf einer sanften Anhöhe ein dichter Lindenbaum. Es summt, Grillen zirpen und Vögel zwitschern. Der Duft von Heu und Sommer durchdringt die Luft. Sie ist warm und nur eine leichte Brise ist zu spüren. (Fühlt ihr es?) Oben in der Baumkrone sitzen zwei Vögelchen und zwitschern und schnäbeln aufgeregt und liebevoll miteinander. Über ihnen ist der blaue weite Sommerhimmel. Beide wissen, sie könnten jederzeit wegfliegen, aber sie tun es nicht, weil es genau hier, genau jetzt miteinander so wunderbar ist!

OMG! Vielleicht bin ich doch romantischer veranlagt als ich dachte. Muss wohl wieder einen meiner Glaubenssätze abändern. 😉

VOLL50: Wofür sollte man sich mit voll50 unbedingt und häufig loben?

Claudia Kanz: Für die tausend Sachen, die man kann, macht, erlernt, verstanden und bewältigt hat. Man sollte sich für die eigenen Fähigkeiten unbedingt loben, denn wir Frauen sind schon immer gerne unsere größten Kritikerinnen gewesen. Dass wir uns oft nicht trauen, uns selbst großartig zu finden, schwächt uns in dieser von Männern dominierten Welt enorm. Und da tut es gut, sich morgens schon mal zu sagen, dass man als liebender und reflektierter Mensch wirklich sehr gut gelungen ist.

Ich habe aber auch eine sehr persönliche Zäsur erlebt, für deren gute Verarbeitung ich mich viel mehr loben sollte. Mir war nicht von Anfang an klar, dass meine Gehirnblutung 2016 das einschneidendste Erlebnis meines bisherigen Lebens sein würde und gleichzeitig das bisher am besten verarbeitete. Manchmal muss ich mich daran erinnern, wie ich mich von fünf Tagen im Koma und rechtsseitiger Lähmung binnen weniger Wochen wieder erholte. Meine Gehirnleistung war dank meinem Ehrgeiz beim Training nach kurzer Zeit in der Reha schon wieder fast normal. Ich verstand aber zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, wie außergewöhnlich das war. Ich hatte damit zu kämpfen, dass ich zwar sehr schnell wieder zu 95 Prozent hergestellt war, aber extrem darunter litt, dass danach nicht mehr viel weiterging und mir die fehlenden 5 Prozent an Spritzigkeit sehr abgingen. Für mich war es wie ein Identitätsverlust. Ich war immer schnell beim Denken gewesen, und jetzt war es an manchen Tagen gefühlt nur Schneckentempo. Ich erinnere mich noch genau an den Moment vorm Spiegel im Bad, der mit einer Blitz-Erkenntnis meine Identitätskrise beendete. Ich verstand plötzlich, dass mein Gehirn wirklich ein Wunderding ist und ich die beschädigten Bereiche ganz schnell mittels akribischen Trainings durch neue Synapsen ersetzt hatte. Und da sagte ich ganz laut zu mir: Claudia, denk es einfach neu! Ein Satz kam in meine Gedanken: Deine 95 Prozent sind ab heute einfach deine neuen 100 Prozent. Realistischer Nachsatz: Die paar Prozent hätte ich vermutlich aufgrund meines Alters sowieso bald eingebüßt.

Danach war alles anders. Keine Nabelschau mehr. Nur mehr die 100 Prozent im Kopf und die 5 Prozent waren für mich nie mehr wichtig.

Wann immer ich einen Moment brauche, um mir klar zu machen, dass man alles schaffen kann und sogar einfach dadurch verändern kann, indem man seine eingeübte Denkrichtung einfach ändert, lobe ich mich für diese Eingebung an diesem Junitag vor dem Spiegel. Dass ich mich aktiv aus einer eingefahrenen Denke holen kann, macht mich sehr stolz.

www.nikoshimedia.at

www.wassergeister.com

www.cleoco.at

(*) mansplaining, erklärt von Claudia Kanz

„Kommt von man + explains = mansplaining

Ein sehr gängiger Begriff in meiner sehr emanzipierten Frauenblase 🙂 Ich krieg so einen Hals )(, wenn einer mir unbedingt in seinen Worten auch noch erklären muss, was ich eh gerade gesagt habe. Oder wenn mir ein Mann erklärt, wie man am besten menstruiert. :/ Mansplainer lassen echt nix aus. Und wenn sie das nicht tun können, dann fallen sie dir ins Wort. Das heißt dann manterrupting. Es ist schwer dafür deutsche Worte zu finden. Erklärknabe? UnterbrechEr?“

Schwäche zeigen ist stark

Foto (c) Michael Hartl

Man kann vieles wollen und trotzdem nicht zum Ziel kommen, sagt Michaela Ziegler. Sie wünscht sich eine Gesellschaft, in der Lebensleistungen mindestens den gleichen Stellenwert bekommen wie Arbeitsleistungen.

VOLL50: Wann bist Du in Deinem Element?

Michaela Ziegler: Wahrscheinlich war ich in einem früheren Leben eine Nixe oder wohl eher eine Seekuh. Ich liebe es im Wasser zu sein, am liebsten im Meerwasser. Wenn es wohltemperiert ist, könnte ich Stunden darin verbringen.

Wenn ich in einer Runde mit feinen Mensch bin – egal, ob es sich um eine private Runde oder eine Seminarrunde handelt, in der ich mich wohlfühle. Ich liebe es, über Gott und Göttin zu philosophieren, zu diskutieren, zu blödeln und lachen und zu lernen. Gerade wenn es um Schreiben, Sprache und Wortwitz geht, fühle ich mich in meinem Element.

VOLL50: Womit macht man sich mit voll50 nicht mehr nass?

Michaela Ziegler: Mein erster, zugegeben flapsiger Gedanke beim Lesen dieser Frage war ‚mit Abwaschwasser‘. Doch damit werden meine Hände trotz Geschirrspüler noch öfters in Kontakt kommen.

Ich mag mich nicht mehr nass machen wollen mit Funktionieren im Sinne von mich selbst ausbeuten. Mittlerweile nach vielen Lehrjahren habe ich es geschafft, mich auch mit meinen Schwächen zu zeigen und darüber reden zu können. Ich habe es (meistens) abgehakt, allen beweisen zu wollen, dass ich alles allein schaffen kann. Weil es nicht stimmt. Darum bin ich sehr kritisch, wenn ich höre, dass man alles schaffen kann, wenn man nur will.

Das Leben spielt sich irgendwo zwischen Selbstwirksamkeit und Abhängigkeiten ab. Wir Menschen sind im Grunde soziale Wesen, brauchen einander von der Wiege bis zum Tod. Eine Ziel, das ich erreichen will, bedingt oft ein Gegenüber, für das ich aber nicht bestimmen kann.

Ich finde sehr wohl, dass man selbst das Möglichste tun kann, um die Chance zu erhöhen, etwas zu bekommen oder zu erreichen. Aber zu 100 Prozent geht das nicht. Es gibt Limitierungen, da kann ich hüpfen, springen, mich am Kopf stellen. Ab einem gewissen Punkt liegt die Erreichung eines von mir angepeilten Ziels nicht mehr in meiner Macht.

Mein selbst erlebtes „Paradebeispiel“ ist die Arbeitssuche, gerade für viele Menschen wieder ein aktuelles Thema. Ein Geburtsdatum in den 60er oder 70er Jahren auf Bewerbungsdokumenten ist eine Limitierung. Da musst auch bei guter Ausbildung und Qualifikation extremes Glück haben.

Oder frage Menschen, die gern eine erfüllende Partnerschaft hätten. Oder Menschen, die einen unerfüllbaren Kinderwunsch haben. Alle werden ihr Möglichstes tun, um ihr Ziel zu erreichen. Trotzdem werden es nicht alle schaffen. Will man diesen Menschen sagen, jeder ist seines Glückes Schmied oder man kann alles erreichen, wenn man nur will? Und wenn sie das Gewünschte nicht erreichen, dann sind sie selbst schuld, weil sie sich zu wenig angestrengt oder etwas falsch gemacht haben? Ein zynischer Lebensblick auf das Leben. Das führt zu einer sehr unempathischen, unsolidarischen und leistungsorientierten Gesellschaft mit zu vielen allmachtsfantasierenden Individuen.

Darum finde ich es so wichtig, nicht nur meine Stärken, sondern auch Schwächen zu zeigen, um vielleicht auch andere Menschen damit zu inspirieren. Wenn das Kreise zieht, erhöht sich die Chance, wieder mehr füreinander als gegeneinander da zu sein.Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der Lebensleistungen mindestens den selben Wert bekommen wie Arbeitsleistungen. Dann können wir uns alle auf Augenhöhe begegnen. Das brauchen wir dringend.

VOLL50: Was bedeutet für Dich Selbstschutz?

Michaela Ziegler: Die Wahl zu haben, was von mir sichtbar sein darf und was nicht. Ich schreibe selbst einen kleinen Blog, in dem ich mein Leben als Frau von Format thematisiere(n wollte), doch ich merke, dass es mir oft schwer fällt, mich dazu öffentlich/sichtbar zu machen. Dabei ich hätte einiges zu sagen, gerade über die gesellschaftlichen Bilder von dicken Menschen.

Selbstschutz ist für mich, auch mal den Mund zu halten und mir gut zu überlegen, mit wem ich worüber diskutiere und ob es der Situation förderlich ist. Da spare ich mir lieber die Energie und mache selbst das Beste, das mir möglich ist. So jongliere ich gemäß meinem jeweiligen

Gefühlsbarometer zwischen sichtbar und unsichtbar. Was aber die Schützefrau in mir dann wieder in Rage bringt. Sie hat immer wieder Angst, unscheinbar zu werden, was bei einer Frau von Format eher unwahrscheinlich ist. 🙂 Ich arbeite noch an Strategien für meinen Selbstschutz, die kräfteschonend, wirkungsvoll und effizient sind.

Voll50: Wofür sollte man mit voll50 eine Fünftagewoche auf eine Siebentagewoche ausdehnen?

Michaela Ziegler: Konfuzius wird der Satz zugeschrieben: „Wenn Du liebst, was Du tust, wirst Du nie wieder in Deinem Leben arbeiten.“ Ich träume von einer Welt, in der wir mit dem, was wir lieben, unser Leben finanzieren, unseren Talenten Raum geben können und diese nicht im Arbeitsalltag beiseite geschoben werden müssen. Wenn wir die Chance haben, dass der Beruf und daraus resultierend die Arbeit mehr der Berufung folgen dürfen als der Notwendigkeit, den Lebensunterhalt zu sichern – wobei das eine das andere nicht ausschließt, aber nicht die Regel ist -, dann würde ich auf jeden Fall für die Siebentagewoche plädieren. Ich bin fest der Überzeugung, dass es unserer Gesellschaft und auch der Wirtschaft in jeder Hinsicht gut tun würde, wenn Arbeit auch zur ausübenden Person passt.

VOLL50: Wo erlebst Du einen Zustand der inneren Ruhe?

Michaela Ziegler: Ich sollte nun wohl antworten bei Meditation und Yoga 🙂 So ist es aber nicht. Es sind Momente, wie mit meinen Katerbuben am Sofa liegen und sie es sich auf oder neben mir gemütlich machen (was nicht immer gemütlich für mich bedeutet, wie mitlesendes Katzenpersonal bestätigen kann). Wenn ich auf meiner Terrasse sitze, rundum Stille herrscht und ich einfach nur schaue und atme und die Vögel im Flieder beobachte. Wenn ich mit einer lieben Freundin spazieren gehe, in der Natur bin, alles wie mit Kinderaugen betrachten und sich die Welt einmal für eine gewisse Zeit nicht mit Hochgeschwindigkeit dreht.

www.platz-nehmen.com/

Die Kreativität beginnt sich zu entfalten

Mutig nennt Renate Fuchs-Haberl die Situation von „Voll50“-Frauen beim Namen, bringt sie zusammen und entwickelt daraus ihre ganz eigene Sicht auf das Leben.

VOLL50: Worin liegt die Stabilität mit voll50?

Renate Fuchs-Haberl: Meine Stabilität ruht auf verschiedene Säulen. Die stärkste davon ist meine Verbindung zu Mutter Erde und ihren Kräften. Durch meine intensive, persönliche und berufliche Beschäftigung mit dem Jahreslauf und den Zyklen der Natur fühle ich mich eingebunden, getragen und genährt vom „Netz des Lebens“. Je älter ich werde, desto kraftvoller erlebe ich mich als Teil der Natur, als Tochter der Erde.

Eine wichtige Säule ist für mich auch das Wissen um unsere weibliche Kulturgeschichte, um unsere großen Vorgängerinnen. Das schamanisch-matriarchale Weltbild, in dem Frauen, die nicht mehr bluten, als die weisen Frauen des Volkes verehrt und geachtet werden, schenkt mir die Erkenntnis, als reife Frau nicht „zum alten Eisen“ zu gehören, wie dies die gängige Rollenzuschreibung im Patriarchat für „voll50“-Frauen ist, sondern eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe in der Weitergabe des alten Frauenwissens an die jüngeren Generationen innezuhaben.

VOLL50: Was verlässt Du gerne?

Renate Fuchs-Haberl: Deshalb verlasse ich am liebsten die Rollendefinitionen, welche das Patriarchat für uns „voll50“ und generell für Frauen parat hat. Ich bringe in meinem Tun die Heilige wieder mit der Hure zusammen, die katholische Maria mit der vorchristlichen Göttin. Auch in meinem persönlichen Leben verlasse ich gerne die Schubladen, in die mich Menschen einsortiert haben, indem ich verschiedene Facetten des Frauseins lebe und mich in den unterschiedlichsten Kreisen bewege.

VOLL50: Was ist mit voll50 wichtiger: Korrektheit oder Coolness?

Renate Fuchs-Haberl: Das kommt darauf an, wie frau mit „voll50“ diese Begriffe für sich definiert. „Korrektheit“ im Sinne von Wahrheit, Wirklichkeit, Gerechtigkeit und Solidarität erachte ich als zentral wichtige Eigenschaften, sowohl auf der gesellschaftlichen Ebene als auch mir selbst gegenüber. „Coolness“ in der Bedeutung von Ausgeglichenheit, Ungezwungenheit, Selbstverständlichkeit, Gleichmut und Bedachtsamkeit geben mir auf meinem Frauenweg einen tragfähigen Boden, auf dem viele meiner Schritte leichter fallen. Deshalb bin ich auch bei diesen beiden Begriffen fürs Vereinen und Verbinden.

VOLL50: Wann gibst Du das Optimieren auf?

Renate Fuchs-Haberl: Auch bezüglich dem „Optimieren“ stelle ich mir als erstes die Frage, was will ich darunter verstehen, auf welchen Bereich meines Lebens beziehe ich es und wieso will ich diesen oder jenen Bereich meines Lebens gestalten, verbessern, überarbeiten, umgestalten und zur Entfaltung bringen oder auch nicht. All das hat für mich viel mit gelebter Kreativität zu tun, die sich aus mir grade nun im Wechsel wieder verstärkt zu entfalten beginnt. Deshalb stellt sich für mich mit „voll50“ viel mehr die Frage, wo ich noch mehr von dieser gestalterisch-schöpferischen Frauenkraft in mein berufliches und privates Leben einfließen lassen kann.

VOLL50: Welchen Zusammenhang siehst Du zwischen stehen und verstehen?

Renate Fuchs-Haberl: Um wirklich und wahrhaftig zu mir selbst stehen zu können, muss ich verstehen, was mit mir als Frau im Patriarchat über Generationen passiert ist. Wieso meine Mutter, meine Großmütter so geworden sind, wie sie sind. Wie sich die ihnen eingepflanzten Glaubenssätze, ihre Traumatisierungen, ihre Erfahrungswelten bis heute auf mich auswirken. Seit ich diese Zusammenhänge mehr und mehr verstehe und wie all das dem Patriarchat dient, kann ich diese Prägungen Schritt für Schritt erkennen, anschauen, hinterfragen und heilen und damit wirklich für mich selbst als die Frau, die ich bin und sein will, einstehen.

www.wildmohnfrau.at

Das kleine Glück im Jetzt

Sich mit der Natur zu verbinden und Teil von etwas Großem zu sein, schätzt Sonja Schiff am „Voll50“-Sein. Der Sinn ihres Lebens ist das Lebens selbst.

VOLL50: Stellt frau mit voll50 Verbundenheit schneller her als mit voll30?

Sonja Schiff: Also ich nicht. Im Gegenteil, ich stelle immer mehr fest, dass ich als Mensch eigentlich alleine bin im Leben. Trotz Partnerschaft, trotz Freunden. Wenn es hart auf hart geht, bin ich allein. Ein Partner kann sterben, Freunde können sich ablösen. Als ich jung war, dachte ich immer, es gibt so etwas wie „Lebensfreundschaften“ oder „Lebensverbundenheit“. Heute weiß ich, Menschen begegnen einem, Menschen bleiben ein Stück lang und dann geht man wieder alleine seines Weges. Verbundenheit erlebe ich eher „mit dem großen Ganzen“, ein Teil von etwas Großem zu sein, auch wenn ich nicht weiß, was genau dieses Große ist. Verbundenheit erlebe ich eher mit der Natur.

VOLL50: Wird der Lebensraum zum Leseraum?

Sonja Schiff: Auch nicht, zumindest bei mir. Gelesen habe ich immer schon viel. Mein Lebensraum wird immer mehr die Natur. Und mein Lebensraum ist immer mehr der Augenblick. Den schätze ich Tag für Tag noch mehr. Das kleine Glück im JETZT, welches ich in jungen Jahren nicht bis kaum wahrgenommen habe. Damals war das kleine Glück flüchtig und kurz. Heute dauert dieser Augenblick länger.

VOLL50: Ist der emotionale Rückzug mit voll50 eine gute Strategie?

Sonja Schiff: Nein. Er führt in die Einsamkeit. Für mich ist er keine Strategie. Ich selbst ziehe mich emotional auch nicht zurück. Ich wage emotional eher immer mehr. Was habe ich zu verlieren?

VOLL50: Was sollte frau mit vollen Händen ausgeben?

Sonja Schiff: Ausgeben, hingeben. Sich. Dem Leben. Weil dieses Leben jede Sekunde vorbei sein kann. Weil wir nur das eine haben. Weil es das einzige ist, worum es geht. Für mich ist der Sinn des Lebens das Leben. Dem gebe ich mich hin mit großer Leidenschaft und Intensität.

VOLL50: Auf die Pausetaste drücken – wann ist das mit voll50 empfehlenswert?

Sonja Schiff: Ich erlaube mir die Pausetaste zu drücken, wann immer ich innehalten will. Je älter ich werde, desto öfters tu ich es. Wegen des Augenblicks, den ich einfangen will. Weil ich gelernt habe, mehr auf mich selbst zu hören und mir selbst mehr Zeit zu gönnen.

www.careconsulting.at

Erfahrungen bis voll49 feiern

Ein verkümmertes Herz tut sich schwer beim herzlichen Denken, sagt Bettina Bubla. Doch es kann gestärkt werden – vorausgesetzt, man hat die Bereitschaft zu Aufmerksamkeit, Nahrung und Förderung.

VOLL50: Welche Voraussetzung braucht Freiheit mit voll50?

Bettina Bubla: Voraussetzung für Freiheit meint für mich, dass man eingegangene Verpflichtungen (Kinder, Eltern, Partner etc.) den (neuen) geplanten Schritten und Entscheidungen anpasst. Dazu sind Up-Dates der Lebensverpflichtungen vorzunehmen, eventuell Gegebenheiten neu auszuhandeln, soweit diese Verpflichtungen und Vereinbarungen noch von Nöten sind. Auf dieser Basis lässt sich eine Freiheit für Voll50 tragfähig bauen. Das sich nähernde letzte Drittel dieses Erdendaseins bietet in unserer Kultur umfassende Möglichkeiten. Offen steht, das Leben in vollen Zügen auszukosten (zu genießen, zu reisen, eine neue Partnerwahl), sich neuen Interessen zu zuwenden (Hobbys, Ausbildungen, Kultur, Träume zu verwirklichen) oder sich vermehrt sozialen Aktivitäten zu widmen wie Kontakten mit Freunden oder einem Sozialleben in Vereinen. Autobiografische Reflexionen ermöglichen das Abstreifen von Altlasten und Zwängen, die einen gereiften ausgewogenen Lebensabschnitt unterstützen. Erfolge und Erfahrungen bis Voll49 wollen gefeiert und in Voll50 integriert werden.

VOLL50: Wie denkt man mit dem Herzen?

Bettina Bubla: Ein verkümmertes Herz plagt sich beim ‚herzlichen Denken‘. Es verlangt Erweckung, Aufmerksamkeit, Nahrung und Förderung. Gestärkt kann es das Leben mit dem ‚Auge des Herzens‘ betrachten und gemeinsam mit einem offenen, geschulten Geist sinnvoll planen und Handlungen setzen. Mit dem Auge des Herzens erweitert man das spirituelle Wahrnehmen. Unsichtbares wird sichtbar, Verwirrendes wird sortiert. Es zeigen sich verständliche Symbole und Bilder, es steigen Gefühle und Gerüche auf. Töne, Wörter und Sätze fügen sich zu den Erklärungen und Aufklärungen der Herzensbotschaften, begleitet von dem Gefühl eines unglaublichen ‚JA-so ist es‘, ‚JA-so einfach und klar‘.

VOLL50: Welche Einstellungen hat man mit voll50 zum Schicksal?

Bettina Bubla: Nach 50 Jahren Erdendasein gehört man zu den Siegerinnen, wenn man erkannt hat, dass man am eigenen Schicksal einen beträchtlichen Anteil hat. Das eigene Denken und Handeln sind wesentliche Bauteile des Lebens (im persönlichem Mikro- und im Makrokosmos). Das zu erkennen, führt von der Ohnmacht zur Macht. Veränderungen brauchen Mut, Planung und Handlung.

VOLL50: Wo findet man Wunder?

Bettina Bubla: Offene Augen, wacher Geist, warmes Herz, das Nichtsichtbare für möglich halten und Interesse als Lebenselixier. Mit diesem Rezept nährt man die Seele und erkennt Wunder mehrmals täglich. Diszipliniert regelmäßig, das Lexikon der wundersamen Begegnungen zu öffnen, eine Einladung auszusprechen, forciert diese Zusammenkünfte.

VOLL50: Ist Mut mit VOLL50 die Voraussetzung für Seelenruhe?

Bettina Bubla: Wenn Mut das ist, wovor man Angst hat und sich trotzdem traut, dann kann sehr wohl durch Bewältigung der Angst, Selbstsicherheit und Ruhe in der Seele einkehren. Seelenruhe kann jedoch auf verschiedenen Wegen erlangt werden. Nicht immer sind mutigen Handlungen dazu erforderlich. Gestaltete ‚Räume der Ruhe‘ lassen den Seelenplan ins Bewusstsein steigen. Es gilt, ihn zu entdecken, anzunehmen und zu entscheiden, ob man diesem folgen möchte. Ein inneres, längeres und wiederkehrendes JA-Gefühl tut sich dabei gerne auf. Mut wäre hier, dafür zu sorgen, dass man sich diese persönlichen Aus- und Ruhezeiten, für die Reise zu sich selbst, auch gegen innere und äußere Widerstände, erschafft.

Initiative und Intuition bedingen sich gegenseitig

Zu wissen, wann Disziplin und Diplomatie Pause machen können, bestimmt den eigenen „Voll50“-Takt, sagt Elisabeth Biechl. Weil sie nichts mehr muss, sondern kann.

VOLL50: Wie viele Wiedergeburten hat man mit voll50 gefühlt hinter sich?
Elisabeth Biechl: Immer, wenn ein neuer Lebensabschnitt beginnt, ist das so eine Art Wiedergeburt – das Leben geht mit geänderten Vorzeichen weiter – auf zu neuen Ufern und die Erfahrungen der vergangenen Jahre hat man immer mit dabei und kann und soll diese positiv nutzen – das Leben haben, das uns geschenkt wurde und es in Fülle haben – für mich ist auch der christliche Glaube eine große Stütze und ist auch Leit- und Handlungslinie in meinem Leben.

VOLL50: Was haben Initiative und Intuition gemeinsam?
Elisabeth Biechl: Aus der Intuition – ich definiere das für mich mit dem Bauchgefühl – entstehen viele Initiativen, wenn man darauf hört. Ich würde fast sagen, dass sich das sehr oft gegenseitig bedingt. Diese beiden haben also für mich sehr viel gemeinsam.

VOLL50: Wann darf man mit voll50 undiplomatisch sein?
Elisabeth Biechl: Immer dann, wenn frau danach ist und wenn sie das Gefühl hat, ihre Stimme erheben zu müssen – in allen Lebensbereichen. Undiplomatisch sein wird ja auch oft damit gleichgesetzt, einfach zu sagen, was Sache ist und man eben keine schönen Umschreibungen verwendet. Handlungsmaxime hier ist für mich jedoch immer auch, auf der sachlichen Ebene zu bleiben und die Menschenwürde immer zu achten.

VOLL50: Wie sieht deine persönliche Eremitage aus?
Elisabeth Biechl: Ein kleines, einfaches Häuschen, unbedingt am Meer in südlichen Gefilden (mit Temperaturen, die einer Mitteleuropäerin noch zuträglich sind). Sollte ein Kraftplatz sein. Viele Bücher, einfaches Leben, nur auf das Notwendigste beschränkt. Der Fokus liegt auf dem „Sein“ und nicht auf dem „Haben“ (gemäß Erich Fromm). Die Lebensfülle ist für mich eine innere, seelische Fülle, aus dieser speist sich auch die Lebensfreude, die Zufriedenheit, die Zuversicht, der Mut, die Liebe. Menschen können mich in meiner Eremitage besuchen, um Gespräche über das Leben zu führen.

VOLL50: Darf die Disziplin mit voll50 auch einmal Pause machen?
Elisabeth Biechl: Ja und zwar immer dann, wenn frau es will – mit voll50 muss ich keinen Konventionen mehr entsprechen. Ich lebe aus meiner Mitte heraus und weiß, was mir gut tut – das kann eben manchmal Disziplin sein und manchmal eben die Pause von der Disziplin – auch hier wieder egal, welchen Lebensbereich es betrifft – mit dem Alter ist bei mir auch eine gewisse Gelassenheit eingekehrt und auch eine Leichtigkeit des Seins. Ich „muss“ nicht mehr, ich „kann“, ich selbst bestimme den Takt meines Lebens und eben unter anderem auch, wann ich diszipliniert sein will beziehungsweise handeln will. Es gibt ja zum Beispiel oft nichts Schöneres als ein gutes, kalorienreiches Essen im Kreis der Familie und Freunde – da ist ein Kilo mehr oder weniger auf der Waage nicht das entscheidende.

Foto © Bernhard Müller

„Genussvoll, liebevoll, hoffnungsvoll“

Begrenzungen, die durch Kompromisse gesetzt werden, sind völlig sinnlos – eine der vielen Erkenntnisse von „Voll50“-Frau Petra Weiss.

VOLL50: Welche Rolle spielt das Versagen bei der Kreativität?

Petra Weiss: Trial and error, nur so geht’s voran, nur so entwickelt man sich und nur wer nichts tut, macht keine Fehler. Ich bin ein sehr kreativer Mensch, probiere also viel aus und da gelingt natürlich nicht alles gleich auf Anhieb. Ich habe zum Beispiel mal einen Schnupperkurs im Alphornblasen besucht. Das war für mich als Flachlandtirolerin alles andere als einfach, aber je weiter der Abend voranschritt, desto besser wurde ich und ich war nachher richtig stolz auf mich. Gleich von Versagen zu sprechen, nur weil etwas nicht klappt, käme mir nicht in den Sinn. Ich würde in dem Fall für mich resümieren: Okay, ich hab’s versucht, ist aber nichts für mich, probiere ich halt was anderes…

VOLL50: Auf welche Art von Fülle will man mit voll50 auf keinen Fall mehr verzichten?

Petra Weiss: „… auf keinen Fall mehr“ impliziert ja, dass man vorher verzichtet hat. Diese Frage stellt sich mir so nicht. Ich hatte, habe und werde haben (davon bin ich fest überzeugt) eine Fülle von schönen Momenten, die ich erleben, eine Fülle von Möglichkeiten, die ich nutzen, eine Fülle von Ideen, die ich umsetzen und einen reichen Erfahrungsschatz, auf den ich zurückgreifen kann. Zu meinem aktiven Wortschatz gehören: geschmackvoll, genussvoll, liebevoll, hoffnungsvoll, humorvoll, schwungvoll, phantasievoll.

VOLL50: Welche Begrenzungen sind komplett sinnlos?

Petra Weiss: Gesellschaftliche Grenzen („das macht man nicht“, „das gehört sich nicht“) verlieren, je älter man wird, ihre Starrheit, allerdings eher im privaten Rahmen (im beruflichen Kontext kann das eher unseriös wirken). Ich bin gern albern, kann wie ein Kind staunen und pruste auch mal lauthals los – das hält jung und trainiert die Lachmuskeln. Körperliche und geistige Grenzen, die wir uns selbst setzen, indem wir unser Alter als Ausrede benutzen, um bestimmte Dinge nicht mehr zu tun oder tun zu müssen, wirken negativ, destruktiv, hemmend. Auch wenn es nicht ausbleibt, dass wir an unsere Grenzen stoßen, können wir versuchen, diese zu verschieben. Ich versuche das, denn ich möchte bis ins hohe Alter körperlich und geistig fit bleiben – lerne jetzt Italienisch. Völlig sinnlos aber sind Begrenzungen, die durch Kompromisse gesetzt werden, denn beiderseitige Verzicht macht am Ende niemanden wirklich glücklich. Noch so eine Erkenntnis…

VOLL50: Ist Glück mit voll50 leise oder laut?

Petra Weiss: Glück kommt ja in unterschiedlichem Gewand daher und hunderte kluger Köpfe haben versucht, es zu definieren. Für mich ist Glück, dass ich und alle um mich herum gesund sind, dass ich eine liebevolle Familie, gute Freunde und einen Job habe, der mir Spaß macht. Glücklich bin ich aber auch über einen gelungenen  Kuchen nach neuem Rezept, eine überstandene Krankheit, einen Zug, den ich gerade noch erwischt habe, oder eine gelungene Geburtstagsüberraschung. Mal sind es ganz kleine, mal größere, in der Mehrzahl aber ideelle Dinge, die ein Glücksgefühl in mir erzeugen. Jeder Mensch empfindet Glück auf seine eigene Art, ich eher leise – ich lächle und genieße.

VOLL50: Welche Art von Spannung sollte man loslassen?

Petra Weiss: Spannung im Sinne von auf etwas gespannt sein, Vorfreude oder Körperspannung sind auf jeden Fall immer gut und wertvoll für mein körperliches und geistiges Wohlbefinden. Was ich nicht brauche, sind Verspannungen, aber da können zum Beispiel gute gymnastische Übungen helfen… Die Frage zielt aber sicher auf Spannungen im Zwischenmenschlichen ab, in der Partnerschaft, in der Familie, zwischen Arbeitskollegen. Hier merke ich, dass ich mit zunehmendem Alter nachsichtiger (und auch weiser) werde und nicht mehr jedes Wort auf die Goldwaage lege. Warum soll ich mich aufreiben und meinen Standpunkt wieder und wieder verteidigen? Das kostet Kraft und bringt gar nichts. Eine meiner wichtigsten Erkenntnisse der letzten zehn Jahre lautet: Weg mit Energiedieben jeglicher Art! So sind auch schon Leute aus meinem Adressbüchlein verschwunden, die ich seitdem nicht eine Sekunde vermisst habe.

„Freudestrahlende Augen und hochgezogenen Mundwinkel“

Immer mehr und weiter“ lässt langsam nach. Und doch ist Sabine Kroy als Trainerin, Coach und Immobilienmaklerin hoch aktiv.

VOLL50: Wie hängen Kreativität und Versagen zusammen?

Sabine Kroy: Meine Kreativität lässt mich die eigene, strenge Bewertung von“ Versagen“ überdenken und die Ressource darin sehen, wenn etwas nicht so gelingt, wie ich es mir ursprünglich vorgestellt habe. Meistens ist rückwirkend betrachtet, das vermeintliche „Versagen“ das Beste, was mir gerade passieren hat können.

VOLL50: Welche Rolle spielt die Intuition mit voll50?

Sabine Kroy: Intuition ist für mich seit je her eine wesentliche Entscheidungshilfe gewesen.

Die Erfahrung der Jahre stärkt mein Vertrauen in meine Intuition, weshalb es mir (meistens😊) gelingt, die Argumente meines Verstandes nicht wichtiger zu nehmen als meinen ersten Impuls. Die Intuition gibt mir die Richtung vor, in die ich, beim Treffen von Entscheidungen, weiterdenke.

VOLL50: Was ist wichtiger: Selbstverwirklichung oder Selbstwirksamkeit?

Sabine Kroy: Beides ist wichtig – und wahrscheinlich bedingen und fördern sich das Gefühl der „Selbstwirksamkeit“ und die „Selbstverwirklichung“ gegenseitig. Die jetzige Lebensphase erhöht in mir die Zufriedenheit mit dem, „was schon ist“ und der Ehrgeiz nach „immer mehr und weiter“ lässt nach.

VOLL50: Was glättet mit voll50 die Falten auf der Stirn?

Sabine Kroy: Freudestrahlende Augen und hochgezogenen Mundwinkel

VOLL50: Was beginnt mit einem „Nein“?

Sabine Kroy: „Nein, danke, ich möchte die Hose nicht eine Nummer kleiner probieren- ich hab`s gern leger.“

www.kroy.at

„Vielleicht komme ich dazu durch die Hintertür/Perhaps I am coming at this through the backdoor“

Die Analytik vorsichtig einsetzen und Träume definieren hat “Voll50”-Frau Ingrid Dabringer gelernt. Deshalb baut sie sich bald eine Sauna.

“Fully50” – Woman Ingrid Dabringer has learned to use analytics carefully and define dreams. That’s why she’s going to build a sauna soon.

VOLL50: Welche Sprosse der Lebensleiter hast Du übersprungen? Which rung of the ladder of life did you skip?


Ingrid Dabringer:
Die Kindheit und das damit verbundene Zuhause. Mit zwölf Jahren hatte ich in fünf verschiedenen Länder ein Zuhause gehabt: Indonesien, Libanon, Kanada, Mexiko und Ecuador. Mein Vater war ein österreichischer Handelsdelegierter und meine Mutter stammte aus den USA. Wir haben also Österreich vertreten, aber meine Muttersprache war definitiv Englisch. Aber ich hatte nie an einem dieser Orte gelebt und sie als Zuhause bezeichnet, selbst wenn ich sie im Ausland vertreten hätte. Ich würde sagen, ich war aus Österreich und den USA, ohne dort gelebt zu haben. Und es war auch klar, dass ich nicht von einem der Orte kam, an denen ich lebte. Ich lebe jetzt in Kanada. Es ist eine Art europäische Version von Amerika.

Als ich nach Boston zog und 13 wurde, bin ich total ausgeflippt. Ich erinnere mich, dass Andrea Troxel mir erzählte, dass sie ihr ganzes Leben im selben Haus gelebt hatte und dass sie eine sechzehnjährige Katze hatte, die älter war als sie, und dass sie diese Katze auch ihr ganzes Leben lang gehabt hatte. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie eine pathologische Lügnerin war, weil nichts davon für mein Gehirn Sinn machte. Natürlich hat sie nicht gelogen, und es war alles wahr. Aber ich dachte, Katzen leben nur zwei bis drei Jahre, weil meine Katzen im Freien aufgrund all der Hunde, die unser Haus umgaben, nur so lange lebten. Wir haben jede fehlende Katze durch eine neue Katze ersetzt.

Auf jeden Fall habe ich viele Orte, an denen ich mich jetzt zu Hause fühle. Ich habe Freunde und Verwandte in vielen verschiedenen Städten und Ländern. Als ich aufwuchs, sagten die Leute immer: „Du bist so glücklich, die Welt zu sehen. Weißt du das?“ Dies ist jedoch eine oberflächliche Analyse, da die Details unter all diesen Bewegungen nicht alle angenehm sind. Es war kein Urlaub. Es war ein Leben. Es gab einen Verlust von Bezugspersonen und Freunden. Es gab einen Krieg im Libanon, der PTBS verursachte. Und es gab eine sehr lange Trennung zwischen meinen Eltern, die dazu führte, dass ich in den vier Jahren zwischen 8 und 12 zehnmal umzog. Obwohl ich für all meine Erfahrungen als Kind dankbar bin, gibt es doch einige Kindheitserfahrungen, auf die ich verzichten könnte und die einer konventionellen Definition von Kindheit und Zuhause wirklich im Wege standen.

Childhood and the associated home. I had called five different countries home by the time I was twelve: Indonesia, Lebanon, Canada, Mexico, and Ecuador. My father was an Austrian Trade Commissioner and my mother was from the United States. So, we represented Austria but my mother-tongue was definitely English. But, I had never lived in either place and never called either place home even if I represented them abroad. I would say I was from Austria and the US without having lived there. And, it was also clear that I wasn’t from any of the places I was living. I now live in Canada. It’s kind of the European version of America.

When I moved to Boston, and turned 13, it completely freaked me out. I remember Andrea Troxel telling me that she had lived in the same house her whole life and that she had a sixteen-year-old cat that was older than her, and that she had also had this cat her whole life. I was pretty certain that she was a pathological liar because none of that made sense to my brain. Of course she wasn’t lying, and it was all true. But, I thought cats only lasted 2-3 years because my outdoor cats would only last that long due to all of the dogs that surrounded our house. We replaced each missing cat with a new cat.

At any rate, I have many places I feel are homes now. I have friends and loved ones in many different cities and countries. While I was growing up people always said, “You’re so lucky to see the world. Do you know that?” But, that is a superficial analysis because the details underneath all of those moves are not all pleasant. It wasn’t a vacation. It was a life. There was loss of caregivers and friends. There was war in Lebanon that caused PTSD. And, there was a very long drawn-out separation between my parents that caused me to move ten times in four years between 8 and 12. So, although I’m grateful for all of my experiences as a child, there are quite a few childhood experiences that I could do without and that truly got in the way of a conventional definition of childhood and home.

VOLL50: Welche Rolle spielt Polarität mit voll50?/Which role does polarity play with fully50?

Ingrid Dabringer:
Es gibt so viele Polaritäten, die man jetzt mit 50 kennt. Ich stelle mir vor, dass es vorher genauso viele Polaritäten gab, aber ich denke, wir sind einfach klug genug, sie jetzt zu sehen, sie sinnvoll zu benennen und zu definieren. Aber sie auch zu fühlen – geistig und körperlich. Bei mir betrifft das die Verbindung zwischen meine Hüfte und den Füße und meinen Absichten. Es gibt jetzt eine Akzeptanz und Großzügigkeit und eine Offenheit für das Leben, die einigen sehr realen physischen Realitäten direkt zu widersprechen scheinen. Die Wechseljahre sind sowohl verrückt als auch befreiend. In den gleichen drei Jahren, in denen sich meine Periode verlangsamte und aufhörte, hat sich in meinem Körper so viel verändert. Mein Sehvermögen, meine Hüfte, Hitzewallungen, meine Fähigkeit, etwas zu buchstabieren oder sich an etwas zu erinnern. Ist ein bisschen wie sterben. Und dann merkt man, dass es Wechseljahre sind und lässt sich darauf ein. Dies alles passt zu den Kindern, die gehen oder gehen wollen, und es ist ziemlich markant. Das ganze empty nest-Syndrom ist ziemlich real. Es gibt diese massive Verschiebung zwischen Fülle und Leere. Die Betonung lautet jedoch: „Womit möchte ich es füllen? Was will ich? Was sind jetzt meine Ziele? Was möchte ich ändern? Wie will ich wachsen? “ Es geht viel um mich und mein Potenzial, auch wenn meine Hüfte und meine Füße Grenzen setzen. Aber die Grenzen tragen sehr dazu bei, das Potenzial zu definieren. Ein Künstler beschäftigt sich in erster Linie kontinuierlich mit der Festlegung von Grenzen: Das Medium, die Größe der Leinwand oder des Projekts, die Zeit – all dies trägt dazu bei, Raum zu schaffen, die Aufmerksamkeit zu schärfen und die Form zu formen, die zum endgültigen Stück wird. Die Vorstellung, dass es in der Kunst in erster Linie um Talent oder Inspiration geht, basiert auf alten romantischen Vorstellungen. Grenzen schaffen die Möglichkeiten. Der Übergang begann mit: „Oh nein! Ich wechsle.“ Und endete mit: „Wie möchte ich diese Änderung bewirken?“ Sehr praktisch fühlen sich meine Füße ganz gut an, wenn ich auf unebenem Boden gehe – in den Hügeln der Natur. Sie mögen überhaupt keinen Beton. Meine zukünftige Wachstumsstrategie besteht also darin, mit einigen dieser Polaritäten umzugehen, indem ich in die Berge ziehe, um ein Gleichgewicht herzustellen.

There are so many polarities that one is aware of now at 50. I imagine that there were just as many polarities previously but I think that we are simply wise enough to see them now, name them meaningfully, and define them. But, particularly, feel them – spiritually and physically. Specifically, my hip/feet vs. my purpose. There is an acceptance and generosity and an openness about life now that seems to directly contradict some very real physical realities. Menopause is both maddening and freeing. So much has changed in my body over the same three years where my period slowed and stopped. My eyesight, my hip, hot flashes, my ability to spell or remember anything. You kind of feel like you might be dying for a stretch there. And then you realize it’s menopause and you settle into it. This is all matched with the kids leaving or planning to leave and it’s quite striking. The whole empty-nest syndrome is quite real. There is this massive shift between fullness and emptiness. But, the emphasis becomes, “What do I want to fill it with? What do I want? What are my goals now? What do I want to change? How do I want to grow?” It’s a lot about me and my potential right now, even if my hip and feet create some boundaries. But the boundaries are very much what help to define potential. An artist, first and foremost, engages continuously with the setting of boundaries: The medium, the size of the canvas or project, the time – they all help to provide scope, hone attention, and sculpt the form that become the final piece. The notion that art is primarily about talent or inspiration is based in old romantic notions. Boundaries create the opportunities. The transition started with, “Oh no! I’m changing.” And ended with, “How do I want to effect this change?” Very practically speaking, my feet feel quite fine if I walk on uneven ground – in the hills in nature. They do not like concrete at all. So my future growth strategy involves dealing with some of these polarities by moving to the hills to bring about balance.


VOLL50: Wo endet Diplomatie?/When does diplomacy end?

Ingrid Dabringer: Ich lerne es gerade. Endet es? Sollte ich mir die Mühe machen, es zu lernen?Ich habe etwas, das ich „germanische Barbarei“ nenne. Ich sage einfach Dinge, die manchmal etwas hart und stumpf sind. Undiplomatisch. Es ist der Verstand meines analytischen Künstlers. „Warum, warum, warum. Und wie, wo, wann und wer? “ So oft „Aber …“ und „Was wäre wenn“ in meinem Kopf. Ich wende sie gleichermaßen auf mich an. (Ich sollte auch beachten, dass die meisten meiner Freunde und Familienmitglieder mich für meine Fähigkeit schätzen, ihnen gleichzeitig zuzuhören und sie analytisch zu unterstützen. Ich bin kein kompletter Schläger!) Es ist mehr so, dass ich die Kanten ein bisschen weicher machen möchte. Ich habe so einen analytischen Verstand, dass ich vergesse, dass andere keine Analyse benötigen oder verlangen. Ein Teil von mir fühlt: „Das Leben ist kurz. Auf den Punkt gebracht.“ Aber ein Teil des Prozesses besteht seltsamerweise darin, langsamer zu werden und aufmerksamer und offener und sanfter zuzuhören. Ich mache seit sechs Monaten Qi Gong und Tai Chi und das hat mir geholfen, langsamer zu werden und zuzuhören. Ich kann tatsächlich hören, wie sich mein Körper bewegt, und jetzt auf meine Wirbelsäule und meine Schultern hören. Ich höre jetzt aufmerksamer zu als je zuvor und das macht mich diplomatischer. Vielleicht komme ich dazu durch die Hintertür. Ich hatte in meiner Jugend so viel Diplomatie im Kopf meiner Künstlerin, dass meine Strategie damals darin bestand, in Situationen, in denen ich nicht die Autorität hatte, still zu bleiben. Bei Diplomatie geht es mir im Moment darum, durch Zuhören ein Gleichgewicht zu erreichen.

I’m just learning it. Does it end? Should I bother learning it?
I have something I call “Germanic barbarism.” I simply say things that are a little harsh and blunt sometimes. Undiplomatic. It’s my analytical artist’s mind. “Why, why, why. And, how, where, when, and who?” So many, “But…” and “what ifs” in my head. I apply them to myself equally. (I should also note that most of my friends and family value me for my ability to simultaneously listen and support them analytically. I’m not a complete brute!) It’s more that I want to soften the edges a bit more. I have such an analytical mind that I forget that others don’t, or that they didn’t actually ask for, or require, any analysis whatsoever. Part of me feels, “life is short. Cut to the chase.” But, part of the chase is, oddly enough, to slow down and listen more attentively, more open-free-gently.
I have been doing Qi Gong and Tai Chi for the last six months and that has helped me slow down and listen. I can actually hear my body move and listen to my spine now and my shoulders. I am listening more attentively now than ever before and this is making me more diplomatic. Perhaps I am coming at this through the backdoor. I had so much diplomacy applied to my artist’s mind in my youth that I my strategy back then was just to keep quiet in situations where I didn’t have the authority. Diplomacy, for me right now, is about achieving balance through listening.

VOLL50: Aus welchem Traum bist du mit voll50 erwacht?/From which dream did you wake up with fully50?

Ingrid Dabringer Wer bin ich wirklich? Was will ich eigentlich? Was muss ich tun, um es zu bekommen? Warum will ich was ich will? Wer bin ich, wenn die Kinder weg sind? Es gibt eine bestimmte Art von Erfolgstraum, der in einem Leben passieren kann. Die meisten meiner Träume von Errungenschaften wurden durch Umstände und infolgedessen durch andere oder überhaupt nicht definiert. Und als Künstlerin habe ich eine merkwürdige Kombination aus Fluidität und Urteilsvermögen, die sowohl Vor- als auch Nachteile hat. Meine Ziele haben sich bisher sehr passiv angefühlt, reaktiv und weniger kontrolliert. Ich mache gerade einen Prozess durch, in dem ich diese Träume aktiv aus einer vagen Wunschliste oder einem Unterbewusstsein herausziehe und sie in eine Zukunftsvision setze – wie ein Trugbild am Horizont. Es stellt sich heraus, dass der große Traum, den ich derzeit aktiv benenne, darin besteht, eine Sauna zu bauen. Als lernende Designerin, die an das Planen vom Ende her glaubt. Es ist jetzt auch klar, dass ich Zugang zu einem Stück Land brauche, auf dem ich diese Sauna platzieren kann. Ich habe Videos gesehen, wie man kleine Hütten baut. Es ist alles so erreichbar. Diese Videos helfen mir, mich darauf zu konzentrieren, diesen Traum zu verwirklichen. Es ist schön zu sehen, wie einfach es ist, meinen Traum zu verwirklichen, und wie viele es bereits erreicht haben.

Who am I really? What do I actually want? What do I have to do to get it? Why do I want what I want? Who am I when the kids are gone?
There is a certain kind of dream of achievement that can happen in a life. Most of my dreams of achievements have been defined by circumstance and as a result, through others or not at all. And as an artist, I have a curious combination of fluidity and judgement which has both upsides and down. My goals have felt very passive up until now, reactive and less controlled. I’m going through a process in which I am actively pulling those dreams out of a vague wish-list or subconscious, and setting them into a future vision – like a mirage on the horizon. It turns out that the big dream that I am currently, actively naming is that I want to build a sauna. And as a learning designer who believes in backward design. It’s also now clear that I need access to a piece of land on which to put that sauna. I have been watching videos on how to build small huts. It’s all so achievable. These videos are helping me stay focused on achieving this dream. It’s beautiful to watch how easy my dream is to achieve and how so many have already achieved it.


VOLL50: Was macht man am besten mit seinen Talenten?/What is the best thing you can do with your talents?

Ingrid Dabringer: Ich finde das immer noch heraus. Anderen zu helfen, kreativ zu denken und zu bauen. Das Geschichtenerzählen zwischen Menschen und Gesellschaft erleichtern. Das Leben ist eine Lemniskate – eine Endlosschleife. In der Menschheit geht es um Menschen, die von innen heraus generieren und handeln. Energie fließt von innen heraus, während wir uns durch Raum und Zeit bewegen. Wir platzieren unsere Handlungen in der Welt – wir interagieren. Die Gesellschaft wiederum reagiert auf diese Handlungen und formuliert sie dadurch leicht neu, bevor sie zum Individuum zurückkehren. Der Einzelne muss dann entscheiden, was mit diesen Informationen geschehen soll, wie er auf seine eigenen Handlungen reagieren soll, wie tief er sich engagieren soll, wie viel er investieren soll, was er aufnehmen und was er verwerfen soll. Als Mutter, Freundin, Community-Mitglied oder Berufstätige – das interessiert mich am Leben: Wie wir mit der Welt um uns herum umgehen. Wie wir handeln und sinnvoll reagieren. Ich bin neugierig auf die Geschichten, die wir uns selbst erzählen, und auf die Geschichten, die Gesellschaften uns erzählen und wie genau sie die Grenzen der Realität widerspiegeln. Ich möchte es erleichtern, wie Leute diese Geschichten erzählen.

I’m still figuring that out. Help others think and build creatively. Facilitating storytelling between people and society. Life is a lemniscate – an infinity loop – . Humanity is about people generating and acting from within. Energy flows forth from within as we move through space and time. We place our actions into the world – we interact. Society, in turn, responds to these actions, thereby slightly reformulating them before they come back to the individual. The individual must then choose what to do with this information, how to react to their own actions, how deeply to engage, how much to invest, what to absorb, and what to discard. As a mother, a friend, a community member or a professional – that is what interests me about being alive: How we interact with the world around us. How we act and react meaningfully. I am curious about the stories we choose to tell ourselves and the stories that societies tell us and how accurately they reflect the boundaries of reality. I like to facilitate how people tell these stories.

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